Was Ersthelfer leisten ­sollten und können

Es klingt oft etwas abgedroschen, wenn es heisst: «Bei einem Notfall ist es vor allem wichtig, Ruhe zu bewahren und schnell die richtigen Schritte einzuleiten!» Die Praxis belegt leider immer noch ein anderes Bild.

Was Ersthelfer leisten ­sollten und können

Die Hauptursachen, warum die Folgen von Unfällen, Bränden und Katastrophen oft schwerer ausfallen, als sie müssten, sind oft panische Reaktionen ungeschulter Helferinnen und Helfer. Um in einer Gefahrensituation zur rechten Zeit richtig zu handeln, ist es wichtig, dass mögliche Szenarien bereits vorher durchdacht werden und das richtige Verhalten erlernt und geübt wird. Das trifft sowohl für Brandbekämpfungs- als auch für Evakuierungsmassnahmen zu.

Dies gilt besonders für Sonderbauten und Objekte mit grosser Brandgefährdung.

Vom Grundsatz her gilt dies natürlich auch, wenn seitens des Gesetzgebers in Rechtsnormen diese Massnahmen in anderen Gebäuden gefordert werden, in denen in der Regel Gefährdungspotenziale vorhanden sind.

Deshalb sind für diese Bereiche vorbeugende und operative Massnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen. Sie verlan­gen einen präzise abgeklärten Verfahrensalgorithmus für die Ersthelfer (Brandschutz- und Evakuierungskräfte).

Eindeutig wird in Rechtsgrundlagen festgelegt, dass der Arbeitgeber diejenigen Beschäftigten zu benennen hat, die Aufgaben zur Gefahrenabwehr übernehmen sollen und müssen. Dabei ist auch die Ausbildung als immanenter Bestandteil zu betrachten.

Kompendium

Die Praxis zeigt jedoch, dass diese eindeutige Rechtsnorm noch zu wenig ­Beachtung findet. Aus Erfahrung kann eingeschätzt werden, dass besonders ­Verantwortliche für den Brand-, Kata­st­rophen- und Gefahrenschutz sich ihrer Verantwortung nicht voll bewusst sind, deshalb z.B. angebotene Schulungsmassnahmen noch nicht ausreichend nutzen und ihre Ersthelfer nicht objektbezogen und gefahrenspezifisch schulen. Aus ­diesem Grunde wird für die Schulung bzw. für die Aus- und Fortbildung der Brandschutzhelfer und Evakuierungskräfte ein wissenschaftlich fundiertes Kompendium aufbereitet und zur Nutzung empfohlen.

Diese Themenkomplexe, in der Praxis mehrfach erprobt, beinhalten u.a. die wesentlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten der Verantwortlichen und der Brandschutzhelfer und Evakuierungskräfte. Es hat sich bei den bisher durchgeführten Schulungsmassnahmen auch bewährt, dass  gemeinsame Themenkomplexe für Brandschutzhelfer und Evakuierungskräfte (oft als Ersthelfer bezeichnet) aufbereitet werden.

Führungskräfte auf der «Vor-Ort-Ebene», wie Bereichsleiter, Heimleiter, Ordner, Meister, Schichtleiter u.a., können zur Auffrischung ihrer Kenntnisse ebenfalls profitieren, denn sie tragen letztlich die volle Verantwortung für den Einsatz der Brandschutzhelfer und Evakuierungskräfte im Gefahrenfall.

Schwerpunktthemen

Das Kompendium beginnt mit theoretischen Darlegungen zu Rechtsgrundlagen, Verantwortlichkeiten, zur Ersthilfe, führt über Anleitungen für eine praktische Ausbildung zur Gefahrenabwehr bis zu Hinweisen für Brandschutzbegehungen in Räumen und Anlagen mit besonderem Blick auf Brandbekämpfungsmassnahmen, Evakuierungswegen und -ausgängen, kritische Bereiche, Schwachstellen und Fehler.

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Bestimmungen – sowohl in Deutschland wie der Schweiz – legen die Verantwortlichkeiten für den Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer fest. Das Arbeitsschutzgesetz gilt als «Grundgesetz des Arbeitsschutzes». Für die Durchführung der Brandschutz- und Evakuierungsmassnahmen sind wichtige Aussagen enthalten. Das Gesetz dient zur Sicherung und Verbesserung des Gesundheitsschutzes (Prävention).

Definitionen

Die Definitionen sollen dazu dienen, wichtige Begriffe in ihrer Bedeutung zu erläutern und sie als Handwerkzeug für die tägliche Nutzung aufzubereiten. Nur wenn mit der gleichen Sprache gesprochen wird, kann ein gemeinsames Handeln bei der Gefahrenabwehr erreicht werden.

  • Brandgefährdung: Brandgefährdung ist die Möglichkeit der Entstehung eines Brandes und die Mög- lichkeit der durch den Brand hervorgerufenen gesundheitlichen Schädigung von Menschen und Tieren, der Schädigung der Umwelt und/oder Schädigung von Sachwerten (permanent vorhandener Zustand).
  • Brandgefahr: Der Begriff bezeichnet nur den akuten Gefahrenzustand.
  • Brandsicherheit: Brandsicherheit ist der Zustand von Erzeugnissen /Produkten (einschliesslich Anlagen, Bauwerken, Gebäudeausrüstungen und von technologischen Prozessen), der die Entstehung und Ausbreitung von Bränden ausschliesst.
  • Evakuierung von Menschen: Die Evakuierung von Menschen ist das rechtzeitige, planmässige Verlassen eines gefährdeten Bauwerkes oder Bauwerksteiles durch Personen, um sich in Sicherheit zu bringen.
  • Räumung, Rettung (nach ISO 8421-6.6.6): Geordnete Bewegung von Personen zu einem sicheren Ort (im Brandfall oder in anderen Notfällen).
  • Räumungszeit (nach ISO 8421-6.6.18): Zeit, die alle Benutzer eines Gebäudes oder von Teilen eines ­Gebäudes benötigen, um nach Aussenden eines Räumungssignals einen Ausgang ins Freie zu erreichen.
  • Evakuierungswege: Sind z.B. Gänge, Flure, Treppen, die zu den Evakuierungsausgängen führen und eine sichere Fortbewegung der Personen bzw. Personenströme innerhalb einer bestimmten Zeit gewährleisten.
  • Evakuierungsausgang (nach MBO): Ein Ausgang, der unmittelbar ins Freie, in ein Sicherheitstreppenhaus oder in einen sicheren Bereich (z. B. Brandabschnitt) führt.
  • Evakuierungsdauer: Zeitspanne vom Brandausbruch bis zum Erreichen eines für Personen sicheren Bereiches oder des Freien.
Schutzzieldefinition

Verantwortlichkeiten der Unternehmensleitungen in Bezug auf den betrieblichen Brandschutz

Die Verhütung und Bekämpfung von Bränden und Explosionen gilt als Gemeinschaftsaufgabe für alle im Betrieb Beschäftigten. Auf dieser Grundlage haben die Führungskräfte die zur Gewährleistung des Brand- und Katastrophenschutzes notwendigen Aufgaben, die organisatorischen Massnahmen und die technischen Bestimmungen sowie die Verhaltensanforderungen an die Arbeitnehmer in Arbeits- und Betriebsordnungen, in Brandschutzordnungen, Katastrophenabwehrplänen, Arbeitsanweisungen oder in anderen zweckmässigen Formen zu regeln.

Die Führungskräfte haben dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer mit allen für sie zur Gewährleistung des Brand- und Katastrophenschutzes notwendigen Massnahmen und Dokumenten im ­Unternehmen vertraut gemacht werden. Dazu zählen u.a. die Brandschutz­ordnung, das Arbeitsschutzgesetz, die Arbeitsstättenverordnung, die Störfallverordnung oder die Unfallverhütungsvorschriften.

Die Verantwortung der Führungskräfte für die Gewährleistung des Brand- und Katastrophenschutzes erstreckt sich auch auf die Planung und Bereitstellung, auf die Gewährleistung der ständigen Funktionsfähigkeit von Anlagen, Geräten und anderen Mitteln zur schnellen
Brandwarnung, -wahrnehmung und -bekämpfung sowie auf die Sicherung der Kräfte für die Brandbekämpfung und Katastrophenabwehr. Dasselbe gilt für den Einsatz und die Ausbildung von Brandschutzhelfern und Evakuierungskräften (Ersthelfern). Zu ihrer Unter­stützung bei der Lösung von Brandschutzaufgaben ist der Einsatz eines Brandschutzbeauftragten und für die ­Sicherheit der Einsatz eines Sicherheitsbeauftragten empfehlenswert.

Aufgaben, Rechte und Pflichten der Ersthelfer

Ausgehend davon, dass die Ersthelfer auf dem Gebiet des Brandschutzes nicht die Verantwortung, die Pflichten und Rechte einer Führungskraft haben, sondern dass sie Aufgaben im Auftrag des Unter­nehmers erfüllen und dabei den Brandschutzbeauftragten unterstützen, sollten ihnen folgende grundsätzlichen Kontroll­aufgaben übertragen werden:

  • die Einhaltung der Brandschutz­bestimmungen im zugewiesenen ­Aufgabenbereich
  • die Einhaltung des Rauchverbots
  • das Vorhandensein und die Aktualität der Alarm- und Evakuierungspläne
  • die Freihaltung der Evakuierungswege und -ausgänge (Notausgänge)
  • der ordnungsgemässe Zustand der elektrotechnischen Anlage (Sichtkontrolle) und die sichere Benutzung der elektrischen Geräte
  • das Vorhandensein der erforderlichen Hinweisschilder
  • die Einsatzbereitschaft der Feuerlöschgeräte und -vorrichtungen
  • die ordnungsgemässe Lagerung der festen Brennstoffe und der leichtbrennbaren Stoffe

Hinsichtlich des abwehrenden Brandschutzes und zur Unterstützung des Brandschutzbeauftragten, bzw. in Bereichen mit geringer Brandgefahr oder in Bereichen, in denen kein Brandschutz­beauftragter eingesetzt ist, können und sollen Ersthelfer erste Massnahmen zur Schadenbegrenzung oder Schadenbekämpfung durchführen. Ihre Alarmierung muss organisiert sein und sollte regelmässig geprobt werden. Mit der Auf-
gabe eines Ersthelfers sind nur solche ­Arbeitnehmer zu betrauen, die über die erforderlichen Sachkenntnisse verfügen, um Brandgefahren rechtzeitig zu erkennen, und Brandschutzmassnahmen wirksam durchsetzen können. Als Voraussetzungen sind erforderlich:

  • umfassende Kenntnisse über die Gefahrenquellen im Verantwortungsbereich
  • genaue Kenntnisse über die einschlägigen Brandschutz- und Sicherheitsbestimmungen und deren ­Anwendung
  • Grundkenntnisse über die schnelle, wirksame Brandbekämpfung und Evakuierung
  • Verantwortungsbewusstsein, körperliche und geistige Eignung

Natürlich müssen alle Arbeitnehmer

  • den Weisungen zur Brandverhütung Folge leisten
  • durch ihr Verhalten alle Massnahmen zur Verhütung von Bränden und ­Explosionen unterstützen
  • entstandene Brände schnell bekämpfen
  • die Regeln der Evakuierung einhalten
Brandschutzmassnahmen

Schutzziele

Der Komplex des vorbeugenden Brand- und Gefahrenschutzes unterscheidet vier Schutzziele, die zwar eine Rangfolge festlegen, z.B. Brandverhütung vor Verhin­derung der Brandausbreitung, sie bilden aber ein geschlossenes System, in dem alle Schutzziele gleichrangig zu betrachten sind. Dabei ist zu klären, welche erfor­derlichen Massnahmen von den Verantwortlichen bis hin zu den Ersthelfern ­beachtet und erfüllt werden müssen, um die Brandentstehungs-, die Brandausbreitungsmöglichkeiten, erforderliche Vorkehrungen für die Brandbekämpfung als auch die erforderlichen Vorkehrungen für den Schutz vor den von Bränden aus­gehenden Gefahren zu erkennen bzw. zu ermitteln, zu bewerten und notwendige Schutzstrategien abzuleiten.

Brandschutzanforderungen

Es gelten zwei Grundsätze hinsichtlich der Forderungen an den Brandschutz überhaupt:

1. «Forderungen des Brandschutzes ohne Anforderungen an die Menschen», diese beruhen ausschliesslich auf der Anwendung technischer Massnahmen (nichtbrennbare Baustoffe, Brandschutzkonstruktionen, Brandmeldeanlagen, Lösch­anlagen u.a.) oder technisch-organisatorischer Massnahmen (Verlegung von Arbeitsbereichen, Raumtrennung, Umsetz­ung von Apparaten u.a.).

2. «Forderungen des Brandschutzes mit Anforderungen an die Menschen», können sowohl technische Massnahmen (Handfeuerlöscher, Nachrichtenmittel, Ablesen von Anzeigegeräten u.a.) als auch organisatorische Massnahmen (Qua­li­fikationen z.B. für Schweiss- und Schneidarbeiten u.a.) sein.

Darüber hinaus sind grundsätzlich auch Verhaltensregeln für die Menschen (Rauchverbot, Kontrollen, Ablesungen, Registrierungen u.a.) von Bedeutung und unabwendbar.

Muster einer Alarmordnung

Ursachen der Verletzungen bei Bränden

Nur rund 5% aller Verletzungen entstehen durch Verbrennungen selbst. Demgegenüber bildet die Rauchgasvergiftung mit ca. 73% die häufigste Verletzungsursache. Die Gefahr von Rauch ist vielen nicht bewusst. Für die Evakuierung stehen deshalb nur zwei bis drei Minuten zum ­Verlassen des Gefahrenbereiches zur ­Verfügung. Oft wird auch die Gefahr ­eines Entstehungsbrandes unterschätzt. Fehlendes Wissen über richtiges Verhalten
im Brandschutz, speziell im Brandfall, ist der Grund dafür.

Mustervordruck nach DIN 14096 für eine Brandschutzordnung

Brandschutzordnung nach DIN 14096 

Brandschutzordnung – Teil A

In den Bereichen, insbesondere in der Nähe von Alarmeinrichtungen oder Löscheinrichtungen, sollten die Aus­hänge der Brandschutzordnung Teil A – lt. DIN 14096-1 gut sichtbar angebracht werden. Diese Aushänge sollten die Grundregeln für das Verhalten im Brandfall ausweisen und eine Hilfestellung sein, um die Reihenfolge der Aktivitäten einzuhalten.

Schwerpunkte:

  • Brände verhüten
  • Feuer, offenes Licht und Rauchen verboten
  • Verhalten im Brandfall (Vordruck lt. DIN 14096)

Brandschutzordnung – Teil B

Hier sollten wichtige Verhaltensregeln für die Mitarbeiter aufgenommen werden.

Schwerpunkte:

  • Brandverhütung – grundsätzliche Regeln
  • Verhinderung der Brand- und ­
  • Rauchausbreitung
  • Brand- und Rauchschutztüren
  • Flucht- und Rettungswege, ­Notausgänge
  • Melde- und Löscheinrichtungen
  • Feueralarm, Rauchalarm, Hausalarm
  • Sprinkleranlage – Verhalten
  • Sonderlöschanlagen, z.B. Betriebsküchen
  • Löschdecken – Anwendung
  • Telefon- und Brandmeldeanlagen (z.B. Löschanlagen)
  • Feuerlöscher – Standorte, Anwendung
  • Wandhydranten – Handhabung
  • Verhalten im Brandfall (Brandmeldung, Alarmsignale und Anweisungen Löschversuche unternehmen, in Sicherheit bringen, besondere Verhaltensregeln der Verantwortungsbereiche)

Brandschutzordnung – Teil C

Hier sollten die Verantwortlichkeiten konkret für die einzelnen Funktionsträger festgelegt werden (u.a. Direktor, Brandschutzbeauftragter, Abteilungs- bzw. Bereichsleiter).

  • Brandverhütungsmassnahmen (Fest­legungen zum Verhalten, Handlungsanweisungen, Überwachungsauf­gaben, Prüfungsmassnahmen für Brandschutztechnik, Evakuierungsübungen, Belehrungen etc.)
  • Alarmplanung (Brandmeldeanlage – ständig besetzte Stelle festlegen, z.B. Pförtner)
  • Einweisung aller Mitarbeiter in die vorhandenen Alarmmöglichkeiten und Festlegung der Verantwortlichkeiten für notwendige Handlungen
Organisation Brand- und Gefahrenschutz

Verhalten bei Ausbruch eines Brandes

Entstehen trotz aller Sicherheitsmassnahmen Brände, sind von den Arbeit­nehmern sofort Massnahmen zur Brandbekämpfung einzuleiten. Nachfolgend sollen deshalb einige Hinweise für das richtige Verhalten bei Bränden gegeben werden:

  • Bricht ein Brand aus, dann ist neben grösster Vorsicht vor allem ein schnelles, überlegtes Handeln ­erforderlich.
  • Die Feuerwehr ist sofort zu alarmieren bzw. alarmieren zu lassen.
  • Die Alarmordnung ist einzuhalten. Zweckmässigerweise sollte man sich bereits vor Arbeitsaufnahme vertraut machen.
  • Wird die Meldung an die Kreiseinsatzleitstelle bzw. an die Einsatzleitstelle der Berufsfeuerwehr über Telefon gegeben (Notruf 112), ist hier grösster Wert auf eine genaue Durchgabe der Meldung zu legen.

Vom Meldenden ist Folgendes anzugeben:

  • Wo brennt es (genaue Anschrift, gegebenenfalls kürzester Anfahrtsweg)?
  • Was brennt (z.B. Labor, Mischanlage)?
  • Sind Menschen in Gefahr (etwa ­Anzahl)?
  • Wer meldet den Brand (Namen)?
  • Von wo wird gemeldet (Telefon­nummer, gegebenenfalls auch Apparatenummer)?

Nach der Alarmierung ist die Feuerwehr zu erwarten und einzuweisen.

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