«Nicht so heiss ­gegessen wie ­gekocht»

Der Schutz vor Nanomaterialien ist immer wieder einmal Thema in der ­Arbeitssicherheitsbranche. Welche Risiken lauern und wer muss was machen, um seine Mitarbeitenden zu schützen?

Ob und wie Nanomaterialien die Gesundheit ­beeinträchtigen können, wird noch erforscht. © Generiert mit KI

Nanomaterialien werden in verschiedenen Branchen eingesetzt, zum Beispiel in der chemischen Industrie, der Kosmetikherstellung, der Reifenproduktion oder der Lebensmittelindustrie. Die winzigen Partikel sind oft kleiner als 100 Nanometer und besitzen einzigartige Eigenschaften, die sie für zahlreiche Anwendungen interessant machen.

«Das Problem mit Nanomaterialien ist sehr speziell, die Menge an Arbeitsplätzen, die es betrifft, ist nicht so hoch«, meint Carsten Möhlmann, der sich bei der DGUV als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Gefahrstoffexposition unter anderem mit Nanomaterialien auseinandersetzt. Eine spezifische Über­wachung des Umgangs mit diesen Materialien gibt es dementsprechend in der Schweiz nicht.

Doch auch wenn das Problem überschaubar ist, ist nicht abschliessend geklärt, wie sich Nanomaterialien auf die Gesundheit jener Menschen auswirken, die mit ihnen arbeiten. Für alle Nanomaterialien gilt daher das Vorsorge­prinzip. Dieses verlangt, dass Stoffe mit unbekanntem Gefährdungspotenzial genauso behandelt werden wie gesundheitsgefährdende Stoffe.

Arbeitsplatzrisiken und ­Gefährdungspotenzial

Untersuchungen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Nanomaterialien auf Arbeitnehmer sind bisher begrenzt. Studien deuten jedoch darauf hin, dass bei fehlenden Schutzmass­nahmen Risiken bestehen. Spezifische Grenzwerte für Nanomaterialien, die über die allgemeine Gefahrstoffverordnung hinausgehen, gibt es jedoch nicht.

Gesundheitliche Risiken und ­wissenschaftliche Erkenntnisse

In den letzten Jahren wurde verstärkt über die gesundheitlichen Risiken von insbesondere Kohlenstoffnanoröhren (Carbon Nanotubes, CNTs) diskutiert. Diese Materialien könnten ähnlich wie Asbest wirken, da sie aufgrund ihrer Form und Grösse nicht leicht vom Körper abgebaut werden. Die Suva warnt, dass diese Partikel «nicht zum Asbest von morgen» werden dürften. Untersuchungen an Tieren zeigen, dass Kohlenstoffnanoröhren bei Mäusen Entzündungen und andere gesundheitsschädliche Reaktionen auslösen können. Es ist also Vorsicht geboten.

Schutzmassnahmen am Arbeitsplatz

Um die Exposition gegenüber Nanomaterialien zu minimieren, gilt das STOP-Prinzip:

Substitution: Stoffe, die giftig sind oder zu stark stauben, sollten, wo möglich, ersetzt werden.

Technical measures: Dazu gehören geschlossene Produktionssysteme, Absauganlagen und Filter, um die direkte Exposition zu verhindern.

Organisatorische Massnahmen: Arbeitszeiten in gefährdeten Bereichen sollten zeitlich begrenzt und durch Pausen unterbrochen werden, um die Belastung gering zu halten.

Persönliche Schutzausrüstung (PSA): Atemschutzmasken (wie FFP3) und Schutzkleidung sind essenziell, um das Einatmen und den direkten Kontakt mit Nanopartikeln zu verhindern. Damit die Masken auch wirklich dicht sitzen, sollten Arbeitgeber verschiedene Grössen und Modelle anbieten.

 

Da Nanopartikel kleiner und leichter sind als viele andere Stoffe, müssen die Fil­trationssysteme speziell darauf ausgelegt sein, diese Partikel zuverlässig zu erfassen.

Herausforderung für KMU

Während grosse Unternehmen zumeist über das nötige Know-how und die Ressourcen verfügen, um den sicheren Umgang mit Nanomaterialien zu gewährleisten, stellt dies für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eher eine Herausforderung dar. «Oft hapert es an den Wartungsmassnahmen. Zum Beispiel müssen die Absauganlagen regelmässig überprüft und die Filter gereinigt werden. Zudem muss immer frisches Material wie Handschuhe, Masken und Schutzkleidung bereitgestellt werden», so Möhlmann. Wer konsequent die Standardmassnahmen einsetze, könne schon viel erreichen. Doch der Experte gibt auch Entwarnung: «Das Thema wird nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird.»

Regulierung und Überwachung

In der Schweiz gibt es bisher keine spezifischen gesetzlichen Regelungen oder Grenzwerte für Nanomaterialien am Arbeitsplatz. Der Gesundheitsschutz wird durch allgemeine Verordnungen wie das Arbeitsgesetz und das Unfallversicherungsgesetz sichergestellt. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Synthetische Nanomaterialien (2008–2019) wurden jedoch verschiedene Hilfsmittel entwickelt, um Industrie und Gewerbe beim sicheren Umgang mit Nanomaterialien zu unterstützen. Diese Hilfsmittel sind auf der Webseite des Aktionsplans, infonano.ch, einsehbar.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 5 von save.

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