«Führungskräfte müssen hinter der Arbeitssicherheit ­stehen»

Arbeitssicherheit ist mehr als nur eine Vorschrift – sie ist eine Haltung. Robert Jäggi, Sicherheitsbeauftragter bei Entsorgung + Recycling Zürich, setzt sich täglich dafür ein, Unfälle zu vermeiden und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen. Im Interview spricht er über Herausforderungen und warum ohne das Engagement der Führungskräfte eine echte Sicherheitskultur nicht möglich ist.

Robert Jäggi ist seit 2020 bei Entsorgung + Recycling Zürich. Er hat Mechaniker gelernt und sich bis zum Spezialisten für Arbeits-sicherheit und Gesundheitsschutz (ASGS) weitergebildet. © zVg

Herr Jäggi, können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihre Rolle als Sicherheitsbeauftragter bei Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) geben?

Robert Jäggi: Ich bin bestrebt, menschliches Leid zu vermeiden. Das ist meine Hauptaufgabe. Dazu gehört es, Unfälle und Ausfalltage zu verringern und das Know-how der Mitarbeitenden im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz zu fördern und zu erhalten. Unsere Mitarbeitenden haben sehr unterschiedliche Arbeitsgebiete: vom Mitarbeitenden in der Entsorgung und Kehrichtverwertung bis hin zu Büroangestellten, die natürlich ganz andere Gefährdungen haben. Je nachdem verändert sich auch der Fokus in Bezug auf Arbeitssicherheit und Gesundheit.

Wie hat sich Ihr Aufgabenbereich in den letzten Jahren entwickelt?

In den letzten Jahren gab es viele neue Vorschriften, und sowohl Mitarbeitende als auch Vorgesetzte haben ein grösseres Verständnis für Arbeitssicherheit entwickelt. Ein Beispiel: Letztes Jahr gab es von der SUVA eine neue Vorschrift, dass Bediener oder Bedienerinnen von Industriekränen nicht mehr nur eine interne Instruktion brauchen, sondern einen offiziellen Kurs. Dort habe ich kurzfristig geklärt, wer betroffen ist, wie hoch das Budget ist und wie wir diese neue Anforderung umsetzen können. Ich musste also kurzfristig die Geschäftsleitung an Bord holen und erklären, warum der SiBe plötzlich mehr Budget braucht. Solche Situationen passieren nicht oft, sind aber herausfordernd.

Wie viele Mitarbeitende betreuen Sie in Bezug auf Arbeitssicherheit?

Ich selbst betreue die Bereiche Kehrichtverwertungsanlage und Logistik. Zudem haben wir 25 Betriebssanitäter sowie über 30 Bereichs-SiBes. Ich selbst bin Spezialist ASGS. Die Bereichs-SiBes sind die Spezialisten vor Ort. An jedem unserer Standorte in der Stadt gibt es einen Bereichs-SiBe, die sozusagen als mein verlängerter Arm fungieren. Ich bin deren Fachvorgesetzter punkto ASGS, unterstellt sind sie den jeweiligen Linienvorgesetzten. Ich habe zu allen regelmässig Kontakt, alle Mitarbeitenden können zu mir kommen. Meist melden sich die Bereichs-SiBes, wenn es Mängel gibt oder Fragen auftauchen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Kein Tag ist wie der andere. Ich beginne um 6 Uhr morgens, bearbeite meine E-Mails in Ruhe. Danach folgen oft Sitzungen, Anfragen von Vorgesetzten, die etwas vor Ort anschauen wollen, oder Rundgänge, bei denen ich hinzugezogen werde. Ich bin stark extern gesteuert.

Können Sie uns Zahlen zu Unfallstatistiken bei ERZ Zürich nennen?

Das ist komplex zu beantworten. Die SUVA geht beispielsweise bei 1.000 Vollzeitbeschäftigte im Schnitt der Branche öffentliche Verwaltung/Abfallbeseitigung von 90 Unfällen aus. Wir liegen mit 72 darunter. Das ist zwar gut, aber zurücklehnen können wir uns trotzdem nicht.

Wie kommen Sie auf diese Zahlen?

Wir erfassen jeden Vorfall, um herauszufinden, was passiert ist und wie wir so etwas in Zukunft vermeiden können. Als Unfall zählt ein Zwischenfall, wenn er zu mehr als einem Absenztag führt. Ein kleiner Schnitt, der sich mit einem Pflaster behandeln lässt, zählt nicht mit.

Welche Abteilungen oder Tätigkeiten sind besonders unfallgefährdet?

Besonders betroffen sind natürlich Mitarbeitende, die draussen arbeiten, insbesondere im Strassenverkehr oder unter freiem Himmel. Das Wetter spielt eine grosse Rolle. Bei einem milden Winter gibt es weniger Unfälle, aber bei plötzlichem Wintereinbruch steigt das Risiko. Für unsere Mitarbeitenden im Büro sind Stolperunfälle die grösste Gefahr.

Wie viele Schulungen oder Weiterbildungen im Bereich Arbeitssicherheit werden jährlich durchgeführt?

Alle neuen Mitarbeitenden erhalten am ersten Arbeitstag eine Sicherheitsunterweisung. Danach gibt es regelmässige Schulungen und Wiederholungen, Erste Hilfe und Brandschutz beispielsweise schulen wir alle fünf Jahre.

Wir führen auch gezielte Kampagnen durch. So haben wir zum Beispiel einen Stolperparcours der SUVA bei uns aufgebaut und die Mitarbeitenden sensibilisiert. In der Logistik haben wir beobachtet, wie Mitarbeitende von Fahrzeugen abspringen, bevor diese vollständig angehalten hatten. Auch hier haben wir natürlich für die Gefahren sensibilisiert.

Wie messen Sie den Erfolg Ihrer Präventionsmassnahmen?

Beim Stolperparcours haben wir festgestellt, dass nach der ersten Durchführung die Stolperunfälle stark gesunken sind. Danach stiegen sie langsam wieder an, also haben wir die Schulung wiederholt. Man muss immer am Ball bleiben.

Wie hoch ist das Budget für Arbeitssicherheitsmassnahmen?

Wir haben ein laufendes Budget von rund 350.000 Franken für Materialien und Schulungen. Falls aussergewöhnliche Massnahmen notwendig sind, wie im Beispiel der Kräne, wenden wir uns an die Geschäftsleitung.

Welche neuen Technologien oder Ansätze nutzen Sie?

Wir versuchen immer auf dem neuesten Stand zu bleiben, besuchen Messen und tauschen uns in Netzwerken wie dem SUVA-SiBe-Netzwerk aus. Ausserdem testen wir neue Technologien, zum Beispiel ein Exoskelett. Einige fanden es unpraktisch, andere wiederum sehr hilfreich.

Wie fördern Sie eine Sicherheitskultur?

Ich binde die Betroffenen aktiv ein. Taucht irgendwo ein Problem auf, frage ich bei den Mitarbeitenden nach, was Sache ist. Mir ist wichtig, niemandem etwas aufzuzwingen. Vielmehr will ich alle zum Mitmachen motivieren.

Was motiviert Sie in Ihrer Rolle?

Ich bekomme Einblicke in viele Arbeitsbereiche, von der Kehrichtverbrennung bis zum Kraftwerk. Es ist spannend und vielseitig. Mir liegt das Wohlergehen der Mitarbeitenden am Herzen. Sie sollen gesund nach Hause kommen.

Haben Sie eine Botschaft an andere Unternehmen?

Führungskräfte müssen bedingungslos hinter der Arbeitssicherheit stehen. Ohne ihre Unterstützung ist es schwer. Sie sollten den SiBes vertrauen und sie ihre Arbeit machen lassen.

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