Branchentrend Videoüberwachung

Die Videoüberwachungsbranche schaut in eine positive Zukunft. Kostendruck und wirtschaftliche Unsicherheiten fördern die Nachfrage nach innovativen und effizienten Lösungen.

Immer mehr Prozesse werden von Kameras erfasst – die Sicherheit muss da mitziehen. © depositphotos/Denniro

In Zeiten hoher Inflation und schwacher Konjunktur suchen Unternehmen und staatliche Organisationen nach kostengünstigen Lösungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheitsstandards. Dies führt zu einer verstärkten Nachfrage nach erschwinglichen, aber dennoch zuverlässigen Überwachungssystemen. Die wirtschaftlich angespannte Situation ist somit eher positiv und als Markttreiber für Hersteller von Sicherheitssystemen und deren Verkaufszahlen zu sehen. Denn in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt die Kriminalitätsrate, was wiederum dazu führt, dass Unternehmen oder grosse Organisationen mehr in Sicherheit investieren.

Weniger Budget, mehr KI?

Dieser Trend wird beispielsweise durch eine Umfrage der britischen Plattform IFSEC (International Fire and Security Communication) bestätigt. Dabei wurden verschiedene Branchenvertreter und Unternehmer zu verschiedenen Themenkomplexen rund um die Videoüberwachung befragt. Unter anderem wurde die Frage gestellt, ob die aktuelle wirtschaftliche Situation in England die Pläne zur Einführung oder Aufrüstung von Videoüberwachungssystemen beeinflusst. Die Auswertung zeigt, dass 87 Prozent der befragten Unternehmen oder sonstigen Akteure Projekte zwar teilweise neu bewerten, aber die geplante Videoüberwachung letztlich dennoch umgesetzt hätten. Gleichzeitig könnten Budget­beschränkungen zu einer verstärkten Nachfrage nach KI-gestützter Videoanalyse als Ergänzung zur menschlichen Überwachung führen. In diesem Umfeld müssen die Hersteller innovativ sein, um erschwingliche Optionen anzubieten, die dennoch Sicherheit gewährleisten.

Menschen noch nicht ersetzbar

Werden Leitstellen oder Leitstellenmitarbeiter dadurch überflüssig? Ist zu befürchten, dass durch KI Arbeitsplätze verloren gehen? Die Vorteile von KI und «normaler» Analysesoftware liegen auf der Hand. Sie sind in der Lage, riesige Datenmengen in wenigen Augenblicken nach einem bestimmten Suchbegriff zu durchsuchen und dabei zu lernen. Doch damit ist es oft nicht getan. Denn die Ergebnisse modernster Recherchetools liefern dem Nutzer oft nur Ergebnisvorschläge, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zum eingegebenen Suchbegriff passen. Ergebnisse, die unter einem definierten Schwellenwert liegen, werden dem Nutzer erst gar nicht angezeigt.

Am Ende des Prozesses steht bislang immer noch der Mensch, der die gefilterten Ergebnisse in den Kontext einordnen muss. Ein Beispiel: Wurde der Alarm durch die Tätigkeit einer Reinigungskraft ausgelöst oder wird dieser Bereich gar nicht von einer Reinigungskraft gereinigt und es handelt sich um einen Einbruch? Geschulte Personen, die das Überwachungsgebiet kennen, können dies schnell in den Kontext setzen und eine Entscheidung treffen. Eine KI oder andere Software könnte das in absehbarer Zeit noch nicht – auf Messen oder in der Praxis haben wir so etwas jedenfalls bisher noch nicht gesehen.

Deepfakes als Problem

Bei aller Euphorie über KI und ihre Vorteile muss aber auch die Kehrseite der Medaille aufgezeigt werden: Für Videobilder im Allgemeinen sind insbesondere alle Varianten der sogenannten Deep­fakes ein grosses Problem. Der Autor hat ChatGPT gebeten, eine Definition von Deepfake zu formulieren:

«Die Deepfake-Technologie ist eine Form der KI, die Deep-Learning-Algorithmen verwendet, um extrem überzeugende, oft täuschende, gefälschte Videos oder Audioaufnahmen zu erstellen. Dabei werden Ähnlichkeiten und Merkmale einer Person mit denen einer anderen Person überlagert, was oft zu realistischen, aber völlig fiktiven Inhalten führt.»

Das Schadenspotenzial solcher Deepfake-Videos ist enorm. So können Aussagen von Spitzenpolitikern täuschend echt gefälscht und über Social-Media-Plattformen wie z.B. TikTok einem Massenpublikum zugänglich gemacht werden. Zuletzt wurde sogar ein Werbespot der BILD-Zeitung im frei empfangbaren Fernsehen mittels Deepfake-Technologie generiert und öffentlich dem Publikum gezeigt. Dieser Werbespot enthielt zwar einen kleinen Hinweis, dass es sich um ein mit Deepfake generiertes Video handelt; dieser Hinweis konnte jedoch schnell übersehen werden. Die Folgen können gravierend sein. So zielen bewusst gefälschte Videos darauf ab, Aussagen bekannter Persönlichkeiten zu manipulieren, um deren Bekanntheitsgrad für meinungsbildende Aussagen und Reichweite zu missbrauchen. Denn dort, wo dies bewusst eingesetzt wird, wird sicherlich kein gesonderter Hinweis auf den Einsatz von Deepfake platziert. Der Autor konnte sich selbst davon überzeugen, wie ein humoristisch-satirisch gemeintes Video, das mithilfe der Deepfake-Technologie auf der Social-Media-Plattform TikTok hochgeladen wurde, von zahlreichen Nutzern für wahr bzw. real gehalten wurde und diese ihrem Ärger über die Kommentarfunktion des Videos freien Lauf liessen. Richtig verdächtig wurde es, als Nutzer, die über die Kommentarfunktion verbreitet hatten, dass es sich nicht um ein echtes Video handele, von anderen Nutzern als Verschwörer bezeichnet wurden, weil sie nicht erkannt hatten oder erkennen wollten, dass es sich tatsächlich um ein Deepfake-Video handelte.

Videomarkt muss bei Sicherheit nachziehen

Die Folgen für Betreiber und Eigentümer von Videoüberwachungssystemen, die sich bisher auf Videomaterial als unwiderlegbares Beweismittel verlassen haben, sind gravierend. Wenn die Videoüberwachungssysteme nicht auf dem neuesten Stand der Technik sind, haben Deepfakes das Potenzial, die Glaubwürdigkeit von Videomaterial als Beweismittel und seinen Wert als Abschreckung zu untergraben. Vor Gericht könnte die Verteidigung den Wahrheitsgehalt des Videobeweises anzweifeln und versuchen, dessen zeitliche Abfolge und Authentizität in Frage zu stellen.

Da diese Technik bereits für die breite Masse zugänglich ist, muss der Videomarkt mit Sicherheitsmassnahmen nachziehen. Der Autor empfiehlt daher den Austausch von Zertifikaten und Sicherheitsprotokollen zwischen den Kameras, dem Netzwerk und dem Bildspeicher. Der Betreiber bzw. Eigentümer einer solchen Anlage muss sicherstellen, dass er nachweisen kann, dass das Bild aus der Kamera tatsächlich das gleiche Bild ist, das auf dem Bildspeicher abgelegt und gerade wiedergegeben wird. Dabei spielt der Exportvorgang eine entscheidende Rolle. Die exportierte Videodatei muss alle Metadaten der Originaldatei aus dem Bildspeicher enthalten. Darüber hinaus müssen Zeitstempel mit genauem Datum und sekundengenauer Uhrzeit im Videobild enthalten sein. Ausserdem dürfen die Systeme nicht ohne Weiteres von aussen zugänglich sein. Hier sind dem Stand der Technik entsprechende Massnahmen wie Firewalls, feste MAC-Adressen und IP-Adressen sowie Limitierungen und gesicherte Fernwartungszugänge zu treffen. Im besten Fall ist das Netzwerk, auf dem die Videoüberwachungsanlage läuft, komplett nach aussen abzuschotten.

Abnehmende Akzeptanz bei Cloud-Technologie

Ein weiterer Trend in der Branche ist die Cloud-Technologie. Hier zeigt sich eine zunehmende Akzeptanz dieser Technologie bei den Endkunden bzw. Betreibern von Videoüberwachungsanlagen. Zum einen befinden sich Büronetzwerke z.B. häufig bereits in der Microsoft-Cloud und zum anderen gehen immer mehr Privatpersonen dazu über, ihre Handyfotos und -videos in einer Cloud zu speichern. Dementsprechend gibt es immer mehr Berührungspunkte mit der Cloud-Technologie, sodass es für die meisten Betreiber kein Neuland mehr ist, diese Technologie zu nutzen.

Allerdings hält die Umsetzungsrate mit der stetig steigenden Akzeptanz nicht Schritt. So haben die Befragungen des IFSEC-Insiders gezeigt, dass bei den Entscheidungsträgern noch einige Bedenken bestehen, die das Wachstum des Cloud-Marktes noch hemmen. Diese sind:

  • Bedenken bei Cybersicherheit/Datenschutz
  • Schlechte Internetverbindung oder Bandbreiten-/Latenzeinschränkungen
  • Monatliche immer wiederkehrende Kosten (Bezahlmodell der Anbieter basiert oft auf monatlichen Pauschalpreisen) anstatt einmalige Investkosten

Interessanterweise, so der IFSEC-Insider weiter, seien dieselben Personen, die die oben genannten Gegenargumente vorbringen, der Ansicht, dass die Cloud-Technologie für den Betrieb eines Videoüberwachungssystems bequemer und einfacher sei. Dieses Pro-Argument könnte in den kommenden Jahren dazu führen, dass das Pendel von der Cybersicherheit und dem Datenschutz hin zur Bequemlichkeit der Cloud-Technologie ausschlägt. Hinzu kommt, dass hinter Cybersicherheit, Datenschutz sowie der Bereitstellung eigener Serverräume und dem damit verbundenen hohen Energiebedarf ein hoher Kostenblock steht. Dies, in Verbindung mit der Bequemlichkeit, könnte die Umsetzungsrate in den nächsten Jahren zugunsten von mehr Cloud-Technologie steigen lassen. Darüber hinaus sind Personalengpässe sowohl in der eigenen IT-Abteilung als auch bei externen Dienstleistern Treiber für eine stärkere Zentralisierung externer Datenspeicher und Rechenzentren.

Wozu kann intelligente Videoüberwachung in Zukunft beitragen?

Nachhaltigkeits- und Umweltzertifikate werden bei Ausschreibungen immer häufiger von den Anbietern verlangt. Unternehmen müssen z.B. ihren Aktionären immer häufiger Rechenschaft über Nachhaltigkeit ablegen. Dazu gehören auch neu angeschaffte Systeme wie Videoüberwachung. Der Markt muss dieser Nachfrage Rechnung tragen und entsprechende Produkte bereitstellen, damit die entsprechende Dokumentation beim Kunden bzw. Händler nachgewiesen werden kann.

Der am Anfang dieses Artikels beschriebene Kostendruck, der auch im Zusammenhang mit der aktuell schwierigen Weltwirtschaftslage steht, kann aber auch durch Synergieeffekte ein enormes Potenzial für die Zukunft dieser Branche bieten. So würden nicht nur Sicherheitsabteilungen oder Sicherheitsbehörden von Videoüberwachungsanlagen profitieren, sondern auch andere Bereiche bzw. Unternehmenseinheiten. Es gibt bereits viele Betreiber, die Videokameras nicht nur für Sicherheitsaufgaben, sondern auch für Marketingzwecke einsetzen. So kann eine Kamera nicht nur Videobilder für die Leitstelle liefern, sondern gleichzeitig auch die Personenzählung übernehmen. Das geht so weit, dass nun auch die Marketingabteilungen Videokameras nachfragen und nicht nur, wie früher üblich, die Sicherheitsabteilungen. Die Nachfrage wird also eher steigen.

Conclusion

In Zukunft werden immer mehr Prozesse von einer Kamera erfasst werden. Daher werden Videoüberwachungssysteme auch in Zukunft eine sehr wichtige Rolle bei der Entwicklung von intelligenten Gebäuden und Städten spielen. Trotz Rezession, Kostendrucks, Fachkräftemangels und steigender Energiekosten hat sich die Videoüberwachungsbranche als krisenfest erwiesen. Neue Wege (Cloud-Technologie), bahnbrechende Innovationen (KI-Systeme) und Synergieeffekte mit anderen Geschäftsfeldern deuten auf eine stabile und interessante Zukunft der Branche hin. An einem darf jedoch nicht gespart werden: an der Sicherheit – egal, welche Technik verwendet wird.

Auteur

Fabian Hecker ist bei VZM Planungs-, Projekt- und Sicherheitsingenieur für sicherheitstechnische Gewerke. vzm.de

 

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