Schutz für das Arbeitsmittel Nr. 1

Unser wichtigstes Werkzeug haben wir immer dabei. Es besteht aus 33 Muskeln und 27 Knochen, verbunden durch Gelenke und Bänder, ­versorgt mit Energie und Information über Blutgefässe, Nerven und ­Zehntausende von Sensoren. Mit diesem faszinierenden Multifunktionstool bedienen wir Skalpelle und Presslufthämmer, Tastaturen und Fahrzeuge. Schutz und Pflege der Hände sind unverzichtbar.

Foto: depositphotos/HayDmitriy

 

Häufigstes und bewährtes Mittel zum Schutz der Hände sind Handschuhe; schon in den frühen Hochkulturen der Ägypter waren sie bekannt. Heute verwenden wir Handschuhe im Winter, beim Putzen oder bei Gartenarbeiten und ebenso bei vielen Tätigkeiten am Arbeitsplatz.

Handschuh ist nicht gleich Handschuh

Das Angebot an Handschutz-PSA ist riesig und für jede erdenkliche Gefährdung gibt es ein Modell, das Schutz verspricht, z. B. vor mechanischen Risiken wie Stichen und Schnitten, vor Hitze oder Kälte, vor Chemikalien oder vor Radioaktivität. Für einige Tätigkeiten und Berufe finden sich zudem Spezialhandschuhe mit abgestimmten Sicherheitseigenschaften wie etwa zum Arbeiten mit der Kettensäge oder antistatische Handschuhe für Arbeiten an sensibler Elektronik.

Somit gibt es nicht den einen Schutzhandschuh, sondern es ist jeweils der auf die Tätigkeit und die damit verbundenen Gesundheits- und Verletzungsrisiken abgestimmte Handschuhtyp zu wählen. Die Normung zu den Qualitätsanforderungen für Schutzhandschuhe umfasst auch Kennzeichnungspflichten. Neben dem CE-Zeichen gehören dazu ein Piktogramm, das die Schutzfunktion visualisiert, sowie Angaben zu jeweiliger Norm, Hersteller, Grösse und Typ.

Piktogramme und Kennbuchstaben

Die Piktogramme werden ergänzt durch Ziffern und Buchstaben, welche die Schutzwirkung spezifizieren. So zeigen Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken nach DIN 388 anhand eines 5- oder 6-stelligen Codes die Leistungsstufen für die Kriterien Abriebfestigkeit, Schnittfestigkeit, Weiterreissfestigkeit, Durchstichkraft, eine weitere Schnittfestigkeitsprüfung sowie (optional) für Stossschutz. Bei Chemikalienschutzhandschuhen nach EN 374 stehen 18 Kennbuchstaben für verschiedene Klassen von Chemikalien wie chlorierte Kohlenwasserstoffe, organische Säuren oder Peroxide. Wer Schutzhandschuhe einkauft, benutzt oder anderen zur Verfügung stellt, sollte die Bedeutung dieser Piktogramme und Kürzel kennen. Welches Handschuhmaterial sich für das Arbeiten mit welchen chemischen Substanzen eignet, lässt sich den jeweiligen Sicherheitsdatenblättern der Chemikalien entnehmen.

Neben den Schutzanforderungen und Leistungsklassen spielen bei der Beschaffung von Schutzhandschuhen weitere Kriterien eine Rolle. In der Logistik oder Montage ist die Griffigkeit, d. h. ein rutschfreier Zugriff, von Bedeutung. In der Medizin oder Kosmetik kommt es auf ein sensibles Tastempfinden an. Je nach Branche und Einsatzzweck können auch die Eigenschaften steril, lebensmittelecht oder touchscreenfähig entscheidend sein. Stimmen zudem Tragegefühl und Tragekomfort, wird ein Handschuh gern benutzt.

Inhaltsstoffe kritisch betrachten

Selbstverständlich sollte ein Handschuh nicht selbst zur Gesundheitsgefahr werden. Auch wenn bei einigen problematischen Inhaltsstoffen die Verwendung bereits eingeschränkt wurde, sollte man ein Auge auf vermeidbare Schadstoffe haben wie

  • Allergierisiken durch Latexproteine, Handschuhpuder oder Vulkanisationsbeschleuniger (Dithiocarbamate, Thirame, Thioharnstoffe)
  • krebserregende Chromverbindungen in Lederhandschuhen
  • das als lebertoxisch und fortpflanzungsgefährdend geltende DMF (N,N-Dimethylformamid) in Polyurethan-beschichteten Handschuhen
  • Phthalate als Weichmacher in PVC, daher sollten Vinyl-Handschuhe nicht im Kontakt mit Lebensmitteln verwendet werden.

 

Zwar gilt Latex (Naturkautschuk) als nachwachsender Rohstoff, doch setzen sich als allergikerfreundliche Alternative zunehmend Handschuhe aus Nitril durch.

Übersicht per Handschuhplan

Präventionsexperten empfehlen, die betriebsspezifischen Vorgaben für das Tragen von Schutzhandschuhen in einem Handschuhplan übersichtlich darzustellen. Ein solcher Plan

  • zeigt an, welches Handschuhmodell – am besten mit Produktbild – bei welcher Tätigkeit zu verwenden ist
  • wird am Arbeitsplatz gut sichtbar aufgehängt
  • verhindert, dass ein Handschuh falsch gewählt oder falsch eingesetzt wird

Gerade beim Handschutz vor Chemikalien kann ein Verwechseln des Handschuhmodells fatale Konsequenzen haben. Selbstverständlich müssen die auf dem Plan gezeigten Handschuhe dann auch in den benötigten Grössen bereitgestellt werden. Optimalerweise sind sie direkt vor Ort verfügbar, denn mit dem Aufwand, sich seine Handschuhe erst besorgen zu müssen, sinkt die Trageakzeptanz. Viele Hersteller unterstützen beim Erstellen von Handschuhplänen. Mustervorlagen aus dem Internet sollten unbedingt an die konkrete Situation vor Ort angepasst werden.

«Stimmen Tragegefühl und Tragekomfort, wird ein Handschuh gern benutzt.»

Wenn der Handschuh zum Risikofaktor wird

Es sollte in der Stammbelegschaft bekannt sein, muss aber bei Berufsanfängern, Praktikanten, Aushilfen usw. immer wieder neu erklärt werden: An Maschinen mit rotierenden Teilen wie beim Bohren, Drehen, Fräsen usw. auch an Kreissägen, dürfen keine Schutzhandschuhe getragen werden. Denn es besteht das Risiko, dass ein Handschuh von der Drehbewegung erfasst wird und sekundenschnell Hand und Arm mit sich reisst. Schwerste Verletzungen sind dann kaum noch zu verhindern.

12 Tipps: Chemikalien-Schutzhandschuhe sicher verwenden

Bei Schutzhandschuhen vor mechanischen Gefährdungen, wie sie etwa auf Baustellen häufig zu sehen sind, ist vor allem wichtig, dass sie auch getragen werden. Wo jedoch die Hände vor dem Einfluss von Chemikalien geschützt werden müssen, wird das Handschuhtragen komplexer. Wer Chemikalien-Schutzhandschuhe verwendet, sollte die folgenden Grundregeln kennen.

  1. Handschuhe stets passend zur Gefährdung bzw. Chemikalie auswählen, d. h. Handschuh-Kennzeichnung verstehen und Sicherheitsdatenblatt beachten.
  2. Handschuh vor dem Anziehen in Augenschein nehmen. Ist er unbeschädigt und – zumindest von innen – sauber und trocken?
  3. Handschuh nur so und nur für die Zwecke verwenden, wie es der Hersteller laut der vorliegenden Benutzerinformationen vorgesehen hat.
  4. Handschuh nur mit sauberen und trockenen Händen anziehen, Fingernägel kurz halten und Schmuck ggf. ablegen.
  5. Stulpen umschlagen, um ein Überlaufen auf die Haut zu verhindern, insbesondere bei Arbeiten über Kopf.
  6. Maximale Tragedauer des Handschuhs beachten!
  7. Okklusionseffekt vermeiden, ggf. Unterziehhandschuhe verwenden (s. Info-Kasten).
  8. Einmalhandschuhe nur einmal verwenden – sie heissen aus gutem Grund so.
  9. Kontaminierte Handschuhe abwaschen oder (bei nicht wasserlöslichen Gefahrstoffen) abwischen und so ausziehen, dass anhaftende Stoffe oder Tröpfchen nicht in der Arbeitsumgebung landen.
  10. Gebrauchte und verschmutzte Handschuhe nicht herumliegen lassen (und damit Tisch oder Umgebung kontaminieren), sondern unverzüglich ordnungsgemäss entsorgen.
  11. Hautschutz und Hautpflege durch geeignete Mittel nicht vernachlässigen.
  12. Hautprobleme dem Vorgesetzten melden und nicht verschleppen, sondern einen Arzt aufsuchen.

Sollte die Hand bzw. die Haut bereits geschädigt sein, z. B. wundgerieben, aufgeschürft, verbrannt oder gereizt, sollte das Tragen von Chemikalien-Schutzhandschuhen mit einem Hautarzt oder Arbeitsmediziner abgesprochen werden.

Der Okklusionseffekt

Müssen flüssigkeitsdichte Handschuhe häufig oder länger andauernd getragen werden, z. B. im Labor oder bei Reinigungsaufgaben, können die Hände keinen Schweiss nach aussen abgeben. Unter dem Handschuh stauen sich Feuchtigkeit und Wärme. Bei diesem Okklusiv- oder Okklusionseffekt (Okklusion = Ver­schlies­sen) quillt und weicht die Haut auf. Der natürliche Säureschutzmantel ist gestört, die Haut wird durchlässiger und empfindlicher für Verletzungen. Auch können Bakterien, Pilze oder Schadstoffe nun leichter eindringen.

So lässt sich der okklusive Effekt vermeiden oder abmildern:

  • Schutzhandschuhe nicht länger als nötig tragen
  • Handschuhe zeitig ­wechseln
  • Unterziehhandschuhe aus Baumwolle verwenden
  • die Haut durch geeignete Hautmittel pflegen
Friedhelm Kring ist Freier Journalist, spezialisiert auf Arbeitssicherheit.> www.kring.de
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