Grenfell Tower: Polystyrol war nicht die Brandursache

Man erinnert sich: Das 24-geschossige Wohnhaus Grenfell Tower in London brannte vor über einem Jahr. Das Feuer breitete sich über die neu wärmegedämmte vorgehängt hinterlüftete Fassade rasch aus. Ersten Untersuchungsergebnisse zeigen, dass nicht das Dämmmaterial Polystyrol die Brandursache war.

© fotolia, Donna

 

Die zuständige Kommission zur Aufklärung des Brandes analysierte Ursache und Verlauf des Feuers des Grenfell Tower. In der „Deutschen Feuerwehrzeitung“ des Feuerwehrverbandes DFV hat Prof. Dr.-Ing. Michael Reick die vorläufigen Ergebnisse der noch laufenden ersten Untersuchungsphase zusammenfasst.

Was sagen die Ergebnisse?

An der Fassade des Grenfell Tower war kein Polystyrol, sondern Polyiso­cyanurat als Dämmstoff in 10 bis 16 Zentimeter Dicke verbaut, wie das auf Gebäude- und Fassadentechnik spezialisierte Webportal „haustec.de“ in Deutschland schreibt. Die Brandweiterleitung an der Fassade wurde primär durch die ACP-Wetterschutzverkleidung aus Aluminium mit aussteifendem Polyethylenkern verursacht, wie aus den vorläufigen Ergebnissen hervorgeht.

Die „Deutschen Feuerwehrzeitung“ schreibt im Zusammenhang mit der Fassade: „Es muss daher an dieser Stelle betont werden, dass die Wärmedämmung aus Polyisocy­anu­rat gar nicht das ausschlaggebende Element war, sondern viel­mehr die ACP-Paneele.“ Zu dieser ACP-Wetterschutzverkleidung heisst es ferner: „Die Masse der Verkleidung war aufgrund der geringen Stärke der PE-Platten zwar gering und die Wärmefreisetzung ging grösstenteils in die äussere Umgebung, aufgrund der hohen Abbrandgeschwindigkeit und der damit verbundenen hohen Wärmefreisetzung hat dies jedoch offensichtlich ausgereicht, dass bereits nach kurzer Zeit weitere Entstehungsbrände in den über der Brandwohnung gelegenen Wohnungen auftraten.“

Rasche Brandausbreitung

Ferner geht aus der Zusammenfassung von Michael Reick hervor, dass die enorme Geschwindigkeit der Brandweiterleitung auch aus dem Zustrom von Verbrennungsluft über die Hinterlüftung der Wetterschutzverkleidung resultiert. Es brannte nicht nur das Polyethylen, sondern auch das Aluminium der Wetterschutzplatten. Der Londoner Einsatzleiter verglich das Brandgeschehen mit einem „Magnesiumbrand“.

Zur Geschwindigkeit des Feuers heisst es: „Der Brand hatte sich daher innerhalb von nur 36 Minuten von einem Entstehungsbrand in der Küche zu einem Brand entwickelt, der über die Fassade alle 19 darüber liegenden Wohnungen un­mittelbar bedrohte.“ Für die letzten zehn Stockwerke nach oben bis zum 22. OG brauchten die Flammen gemäss Angaben nur sie­ben Minuten. Danach begann zwischen 1:12 bis 4:03 Uhr die Brandweiterleitung über die Wetterschutzplatten um das Gebäude herum.

Zahlreiche Brandschutzmängel

Gemäss Bericht brannte die Wetterschutzverkleidung völlig ab, während die Wanddämmung in grossen Teilen erhalten blieb, sogar die gelbe Farbe des verbauten Polyurethans war teilweise noch erkennbar. Gleichwohl sei in den Tagen nach dem Brand das Gerücht entstanden, der Dämmstoff  Polystyrol habe gebrannt. Wissenschaftler hatten dies bereits damals als unsachlich und falsch kritisiert, sie werden nun durch die Londoner Untersuchung bestätigt.

Am Grenfell Tower, der aus den 1970er Jahren stammt, bewirkten innere und äussere Faktoren sowie zahlreiche Brandschutzmängel in einem komplexen Zusammenspiel den dra­ma­tischen Brandverlauf, wie es weiter heisst. Gegenüber diesem Brandinferno brenne Polystyrol nur in der Breitenausdehnung des Primärbran­ds stringent nach oben und nicht um das Gebäu­de herum.

Weshalb starben so viele Menschen?

Über 70 Menschen kamen bei dem Hochhausbrand ums Leben. Der Brand brach in der Nacht aus und überraschte viele Menschen im Schlaf. Gab es nicht genügend Fluchtwege? Wurde an der Sicherheit geschlampt? Spekulationen über Spekulationen. Der definitive Schlussbericht zu diesem verheerenden Hochhausbrand wird dereinst fachlich überprüfbare Erkenntnisse liefern.

Quellen: www.haustec.de / „Deutsche Feuerwehrzeitung“

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