Deutlicher Anstieg bei Fernmeldeüberwachung in der Schweiz im Jahr 2024

Die Fernmeldeüberwachung hat sich in der Schweiz im Jahr 2024 deutlich ausgeweitet. Laut der aktuellen Statistik des Dienstes Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) kam es im Vergleich zum Vorjahr zu erheblichen Zuwächsen bei nahezu allen Kategorien von Überwachungsmassnahmen. Besonders auffällig: Die Anzahl der sogenannten Antennensuchläufe hat sich verdoppelt – ein signifikanter Indikator für die zunehmende Nutzung technischer Mittel zur Lokalisierung und Verdachtsverdichtung.

«Die markante Zunahme von Fernmeldeüberwachungen im Jahr 2024 zeigt, dass digitale Ermittlungsinstrumente längst kein Randthema mehr sind – sie sind heute ein zentrales Werkzeug im Kampf gegen organisierte Kriminalität und schwere Straftaten.»
Jean-Louis Biberstein, Stv. Leiter Dienst ÜPF

Auch klassische Echtzeitüberwachungen stiegen um 45 Prozent auf 1’818 Fälle (2023: 1’244). Rückwirkende Überwachungen – etwa zur nachträglichen Aufklärung von Kommunikationsverläufen – lagen bei 6’149 Fällen, ein Zuwachs von etwa 25 Prozent im Vergleich zu 2023 (4’957). Die Zahl der Notsuchen, also Überwachungen zur Ortung vermisster Personen, stieg ebenfalls auf 1’223 (2023: 1’022). Einzig die Zahl der polizeilichen Fahndungen blieb mit 35 leicht unter dem Vorjahreswert (37).

Datenzugriffe: Massiver Anstieg bei Auskunftsersuchen

Neben der aktiven Überwachung hat auch die passive Datenerhebung über einfache und komplexe Auskünfte stark zugenommen. Insgesamt wurden 495’119 einfache Auskünfte (z. B. IP-Adressen oder Teilnehmerdaten) erteilt – ein Anstieg um etwa 18 Prozent. Besonders deutlich fiel jedoch die Zunahme bei komplexen Auskünften aus, etwa zu Vertragsdaten oder Ausweiskopien: Mit 32’225 erteilten Auskünften stieg deren Anzahl gegenüber 2023 (20’800) um rund 55 Prozent. Insgesamt wurde festgestellt, dass eine einzelne Anfrage oft mehrere Auskünfte nach sich zieht – ein Hinweis auf die gestiegene Komplexität der Ermittlungsverfahren.

Deliktarten: Überwachungsfokus auf Vermögensdelikte und Gewalttaten

Eine inhaltliche Analyse der Überwachungsanordnungen zeigt, dass der Fokus 2024 stark auf Vermögensdelikten lag: Diese machten 43 Prozent aller Echtzeit- und rückwirkenden Überwachungen aus – dreimal so viele wie im Vorjahr. Auch Delikte gegen Leib und Leben (19 Prozent) erfuhren eine mehr als doppelte Zunahme. Weitere 10 Prozent der Überwachungen entfielen auf schwere Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz – auch hier stiegen die Massnahmen um über 15 Prozent. Kleinere, aber ebenfalls signifikante Anteile entfielen auf Notsuchen (6 %), Delikte gegen die Freiheit (3 %) und öffentliche Ordnung (2 %), wobei letztere sich gegenüber 2023 nahezu verdoppelten.

IMSI-Catcher und GovWare: Technikeinsatz nimmt zu

Die technische Tiefe der Überwachungsmassnahmen vertieft sich ebenfalls. Der Einsatz sogenannter IMSI-Catcher – Geräte, die Mobilfunkverbindungen lokal erfassen – stieg auf 171 Fälle (Vorjahr: 160). Besonders häufig wurden diese bei Notsuchen (67 Fälle) und schweren Betäubungsmitteldelikten (53 Fälle) eingesetzt. Auch die Nutzung staatlich zugelassener spezieller Informatikprogramme, sogenannter GovWare, nahm leicht zu: 12 Einsätze wurden 2024 registriert (Vorjahr: 9), hauptsächlich bei schweren Drogenvergehen.

Nachrichtendienst mit deutlicher Aktivitätssteigerung

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) intensivierte seine Aktivitäten ebenfalls deutlich. 2024 wurden 106 Überwachungen durchgeführt, verglichen mit 46 im Vorjahr. Die Zahl der Auskunftsgesuche belief sich auf 12’789 (Vorjahr: 11’498), die Zahl der erteilten Auskünfte auf 15’241 (Vorjahr: 13’991). Aufgrund abweichender Zählmethoden sind direkte Vergleiche mit den Zahlen des Dienstes ÜPF allerdings nur bedingt aussagekräftig. Während der Dienst ÜPF pro technischem Auftrag zählt, erfasst der NDB Massnahmen nach Einzelfällen.

Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen

Alle Überwachungsmassnahmen bedürfen richterlicher Genehmigung. Bei den Strafverfolgungsbehörden erfolgt diese durch das Zwangsmassnahmengericht, beim NDB durch das Bundesverwaltungsgericht und das VBS. Der Dienst ÜPF übernimmt als Vollzugsbehörde die Prüfung der formellen Voraussetzungen und koordiniert die technische Umsetzung mit den Mitwirkungspflichtigen (MWP), etwa Telekommunikationsanbietern.

Mit Inkrafttreten der neuen Finanzierungsverordnung FV-ÜPF per 1. Januar 2024 wurde das Gebührenmodell grundlegend reformiert. Anstelle einer nutzungsabhängigen Gebührenerhebung beteiligt sich nun jeder Kanton pauschal an den Überwachungskosten. Für das Jahr 2024 wurden den Kantonen 24 Millionen Franken in Rechnung gestellt. Die MWP erhielten Entschädigungen in Höhe von rund 6,3 Millionen Franken. Der Gesamtaufwand des Dienstes ÜPF belief sich auf 46,7 Millionen Franken – eine deutliche Steigerung gegenüber den 36,1 Millionen des Vorjahres. Der Kostendeckungsgrad stieg entsprechend von 39 auf 54 Prozent.

Fazit: Digitale Überwachung wird zum zentralen Ermittlungsinstrument

Die Zahlen für das Jahr 2024 zeigen eine klare Tendenz: Die digitale Fernmeldeüberwachung hat sich als integraler Bestandteil der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr in der Schweiz etabliert – in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Sowohl die technische Komplexität als auch die Einsatzfrequenz nehmen zu. Besonders deutlich ist der Trend bei Massnahmen gegen Vermögens- und Gewaltdelikte sowie bei Suchaktionen vermisster Personen.

Vor dem Hintergrund zunehmender Cyberkriminalität, komplexer Täternetzwerke und wachsender Anforderungen an die Strafverfolgung dürfte die Bedeutung intelligenter Überwachungssysteme auch in den kommenden Jahren weiter steigen – allerdings stets unter Wahrung rechtsstaatlicher Schranken und richterlicher Kontrolle.