Inhalative ­Gefährdungen im Beruf

Mit jedem Atemzug transportieren wir etwa einen halben Liter Luft. Bei 12 bis 18 Atemzügen pro Minute kommen da pro Tag einige Kubikmeter Luft zusammen. Doch nicht alles, was dadurch in unsere Lungen gerät, ist unserer Gesundheit zuträglich. An vielen Arbeitsplätzen ist Atemschutz-PSA unverzichtbar.

Je nach Art und Menge des Staubs sowie Häufigkeit und Dauer der Exposition wird Staub zur Gesundheitsbelastung.© depositphotos/bogdan.hoda

Die uns umgebende Luft nehmen wir nur selten bewusst war. Stickstoff, Sauerstoff, Kohlendioxid und Edelgase sind unsichtbar und geruchlos. Doch neben den Gasen kann Luft jede Menge weitere Bestandteile wie Stäube, Aerosole, Dämpfe, Nebel und Rauch enthalten. Gerade die Stäube und Feinstäube sind – nicht nur durch die Abgasskandale der Autohersteller – in den letzten Jahren in den Fokus von Arbeits- und Umweltmedizinern gerückt.

Staub: Je winziger, desto gefährlicher

Ein gewisses Mass an Staub ist in unserem privaten wie beruflichen Alltag – bis auf Reinraumbereiche – stets vorhanden. Wer nicht an Allergien oder Asthma leidet, nimmt dies oft kaum wahr. Doch einige Staubfraktionen sind hochbrisant und Betriebe müssen ihre Mitarbeitenden vor den Gesundheitsfolgen nach Einatmen schützen. Das Arbeitsschutz- und Gefahrstoffrecht spricht hier von inhalativen Gefährdungen, im Gegensatz zu den dermalen oder den oralen Gefährdungen (Aufnahme durch die Haut oder den Mund).

  • Mineralische Stäube: Ob Granit oder Basalt, Sand- oder Kalkstein, Beton oder Gips – beim Bearbeiten entstehen unvermeidbar Gesteinsstäube. Als besonders gefährlich gelten Quarzfeinstäube, die dadurch ausgelöste Silikose ist als Berufskrankheit anerkannt.
  • Holzstäube: Die Stäube vieler Harthölzer sind nachweislich krebserregend. Dazu zählen nicht nur Exoten wie Teak und Mahagoni, sondern auch viele heimische Baumarten wie Buche, Birke, Ahorn oder Esche.
  • Faserstäube: Neben dem 1990 verbotenen Asbest gibt es weitere künstliche mineralische Dämmstoffe, die beim Bearbeiten, bei Abbruch oder Sanierung winzige, aber gesundheitsgefährdende Partikel freisetzen. Unter Krebsverdacht stehen auch die faserförmigen Stäube, die beim Bearbeiten ausgehärteter Carbonfaserverbundwerkstoffe frei werden.
  • Schweissrauche: Entstehen Staubpartikel durch einen Verbrennungsvorgang, spricht man von Rauch. Die bei vielen Schweissverfahren auftretenden Schweissrauchpartikel können Bronchitis und Lungenfibrose auslösen.
  • Bio-Stäube: Organische Stäube biologischen Ursprungs sind nicht selten Auslöser von Allergien (Blütenpollen, Milbenkot). Andere Stäube enthalten Giftstoffe (Schimmelpilze) oder sind infektiös durch luftgetragene Krankheitserreger. Betroffen sind neben dem Gesundheitswesen auch die Abwasser- und Abfallbranchen, Landwirtschaft und Gartenbau sowie die Baubranche, etwa durch Tauben- und Mäusekot bei Abbruch- und Sanierungsarbeiten.

Selbst Mehl oder Metall können die Lunge schädigen

Darüber hinaus kann es an weiteren Arbeitsplätzen zu Staubbelastungen kommen. Unterschätzt wird die Gesundheitsgefahr leicht bei Stäuben ansonsten unverdächtiger Substanzen wie etwa Papierstäuben, bei den das Bäckerasthma auslösenden Getreidemehlstäuben oder bei den in der additiven Fertigung per 3D-Druck eingesetzten Metallstäuben. Denn unabhängig von den Gefahrstoffeigenschaften einer Substanz (z.B. giftig, reizend, sensibilisierend oder infektiös) gilt, dass so gut wie jeder Stoff Atemwege und Augen reizt, sobald er in winzigen Partikeln fein verteilt vorliegt.

Bei hoher Luftqualität kommen unsere natürlichen Selbstreinigungsmechanismen wie der Bronchialschleim oder das Augenblinzeln damit gut zurecht. Doch je nach Art und Menge des Staubs sowie Häufigkeit und Dauer der Exposition wird Staub zur Gesundheitsbelastung. Das beginnt bei Husten, Niesen und geröteten Augen und geht über Asthma und Bronchitis bis zu schweren Erkrankungen wie Metallrauchfieber und Lungenkrebs.

Bewährt für Schutzmassnahmen: Das STOP-Prinzip

Für die Massnahmen zum Schutz der Beschäftigten gilt eine Rangfolge: Substitution vor technischem vor organisatorischem vor personenbezogenem Schutz.

Substitution bedeutet, für staubende Produkte Alternativen zu suchen, z.B. Mörtel in Pelletform oder gebrauchsfertige Fliesenkleber, die nicht erst angerührt werden müssen. Oder es lassen sich staubende Arbeitsverfahren durch emissionsärmere Arbeitsweisen wie Nassbearbeitung ersetzen.

Al technischen Massnahmen gehören:

  • das Absaugen, und zwar möglichst nahe dort, wo der Staub entsteht oder freigesetzt wird
  • das Einhausen und Einkapseln von Maschinen, Anlagen, Fördertechnik usw. zu geschlossenen Systemen
  • der Einsatz von Entstaubern, etwa auf Baustellen
  • eine effiziente Raumlüftung mit angemessener Frischluftzufuhr
  • das bauliche Abtrennen, etwa durch Staubschutzwände, Folientüren, Lamellenvorhänge u.Ä.

Ziel organisatorischer Schritte ist, die Arbeiten so einzuteilen, dass staub­erzeugende Tätigkeiten zeitlich und/oder räumlich isoliert werden. Mitarbeitende sollten nicht nur Gelegenheiten zum Waschen, Duschen und Umziehen haben, sondern auch zum getrennten Aufbewahren von Arbeits- und privater Kleidung. Essen, Trinken, Rauchen und Inhalieren sollten selbstverständlich verboten sein.

Al personenbezogenen Massnahmen gehören das Sensibilisieren der Beschäftigten für die Folgen von Staubbelastungen und die Notwendigkeit von Schutzmassnahmen sowie das Anleiten zum staubarmen Arbeiten. Gelingt es mit Technik und Organisation nicht, die inhalative Belastung auf ein akzeptables Mass zu minimieren, muss der Arbeitgeber Atemschutz-PSA zur Verfügung stellen. Relevant sind die von der Suva veröffentlichten MAK-Werte als Grenzwerte für die Konzentration am Arbeitsplatz.

Schutzausrüstung für die Atemwege

Analog zu Kopfschutz, Augenschutz, Handschutz usw. müsste es beim Atemschutz eigentlich Lungenschutz heissen. Denn geschützt wird nicht der Atem, sondern die Atemwege bzw. die Lunge. Einfacher Atemschutz beginnt mit den Einweg-Feinstaubmasken, die als partikelfiltrierende Halbmasken durch die Coronapandemie mit der Kennung FFP (filtering face piece) bekannt wurden. Höchsten Schutz bieten Masken vom Typ FFP3. Halbmasken gibt es auch in wiederverwendbarer Form mit auswechselbaren Partikelfiltern. Bei vielen typischen Staubgefährdungen wie Gesteinsstäuben auf dem Bau, Holzstäuben in der Schreinerei oder Stäuben durch Schleifarbeiten kommen Atemschutzmasken zum Einsatz. Doch spätestens wenn neben Stäuben auch gefährliche Gase oder Dämpfe auftreten – etwa bei einigen Schweissverfahren – genügt der Schutz solcher Staubmasken nicht.

Deutlich komplexer sind die Atemschutzgeräte, die in Filtergeräte und Isoliergeräte unterschieden werden. Filtergeräte gibt es mit und ohne Gebläse, als Partikel- oder Gasfilter oder in Kombination. Isoliergeräte arbeiten unabhängig von der Umgebungsatmosphäre, als Pressluftatmer oder als – nicht frei tragbare – Schlauchgeräte mit Frischluft oder Druckluft. Dieser Gebläse- und Druckluftatemschutz nutzt unterschiedliche Filtersysteme, deren Lebensdauer bzw. Filterwechselfristen zu beachten sind. Ihre spezifischen Schutzwirkungen – etwa gegen organische Gase, Quecksilberdämpfe oder Partikel – sind nach internationalen Normen farbcodiert.

Das Finden der optimalen technischen Lösung für den konkreten Bedarf an Atemschutz vor Ort ist nicht einfach, gründliche Beratung, z.B. durch den Fachhandel, ist ratsam. Nicht übersehen werden darf, dass schweren Atemschutz zu tragen den Körper belastet und somit nicht als dauerhafte Massnahme vorzusehen ist.

Beim Beschaffen von PSA ist zu bedenken, dass bei Staubbelastung oft weitere Schutzfunktionen – über die inhalative Gefährdungen hinaus – notwendig werden. Denn Stäube reizen auch Augen und Haut, Schutzbrillen und Handschuhe beugen vor. Je nach Arbeitsumgebung kommen Sicherheitsschuhe, Helm, Gehörschutz usw. dazu. Dabei ist stets darauf zu achten, dass sich die einzelnen PSA-Komponenten nicht gegenseitig in ihrer Wirksamkeit behindern dürfen. Werden z.B. Atemschutzmasken gleichzeitig mit Schutzbrillen getragen, muss diese Kombination kompatibel sein.

Friedhelm Kring ist freier Autor mit Schwerpunkt Arbeitssicherheit. 

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