Neue High-Tech-Elektroden
Forschende der ETH Zürich haben neuartige Elektroden für die Gesundheitsüberwachung entwickelt, die optimal an der Haut haften und hochqualitative Signale aufzeichnen können. Zwei junge Spin-off-Gründer wollen das Produkt noch dieses Jahr zur Marktreife bringen.
Wer schon einmal ein Elektrokardiogramm erstellen liess, etwa um seine Herzfitness zu überprüfen, kennt die Elektroden, die einem der Arzt oder die Ärztin am Brustkasten befestigt. Herkömmliche Elektrodenmodelle weisen jedoch erhebliche Nachteile auf: Harte Metallelektroden sind unbequem zu tragen und deshalb für Messungen über längere Zeiten nicht zumutbar. Bei Gel-Elektroden, wie sie im klinischen Alltag am häufigsten verwendet werden, erleiden Patienten öfters Hautirritationen oder gar allergische Reaktionen.
ETH-Forschenden um Janos Vörös, Professor für Bioelektronik, und Christopher Hierold, Professor für Mikro- und Nanosysteme, ist es nun gelungen, hier Abhilfe zu schaffen. Sie entwickelten eine Elektrode, die ähnlich elastisch ist wie die Haut und die der Träger somit kaum spürt. Dank der speziellen Oberflächenstruktur können Signale von Herz und Hirn in hoher Qualität aufgezeichnet werden. Ihre Arbeit haben die Forschenden unlängst in der Fachzeitung Advanced Healthcare Materials publiziert.
Von der Natur inspiriert
Die Forschenden verwendeten für die neue Elektrode ein weiches Material, eine hautverträgliche Mischung aus Silikongummi und leitenden Silberpartikeln, welche auf eine frühere Forschungsarbeit aus der Gruppe von Janos Vörös zurückgeht. Für die Strukturierung der Oberfläche liessen sich die Wissenschaftler von der Natur inspirieren: Sie machten sich den Mechanismus zu Nutze, der Heuschrecken ermöglicht, selbst auf vertikalen Flächen zu gehen. Die Fusssohlen dieser Insekten sind mit unzähligen winzigen Plättchen bedeckt, die unter dem Mikroskop wie Pilzköpfchen aussehen und mosaikartig angeordnet sind. Kommen sie in Kontakt mit einer anderen Oberfläche, tritt ein Klebeeffekt auf, in der Fachsprache bekannt als Van-der-Waals-Interaktion.
Die Forschenden übertrugen diese Mikrostruktur auf ihr Material und schufen so eine Elektrodenoberfläche, die an der Haut haftet. Die spezielle Geometrie auf Mikroebene maximiert zudem die Kontaktfläche zwischen Haut und Elektrode, was das Aufzeichnen von Signalen in sehr hoher Qualität ermöglicht.
Vom Reinraum ins Schwimmbecken
Die Prototypen stellten die Forschenden in einem eigens entwickelten Fabrikationsverfahren im Reinraum her. Sie bestrichen eine Unterlage mit zwei verschiedenen Lacken und deckten sie mit einer präzis perforierten Maske zu. Dann bestrahlten sie das Ganze mit Licht, was den oberen, lichtempfindlichen Lack genau unter den perforierten Stellen lösbar machte. Anschliessend tauchten sie alles in eine Chemikalienlösung. Diese griff zuerst die lösbaren Stellen des oberen Lacks an und arbeitete sich dann weiter zum zweiten Lack. Dort stoppten die Forschenden den Abbau zum exakt richtigen Zeitpunkt, so dass die gewünschte Gussform mit lauter umgekehrten Pilzköpfchen entstand. Im Abguss resultierte dann die speziell strukturierte, haftende Elektrodenoberfläche.
Um zu prüfen, ob die Elektroden auch bei starker Beanspruchung funktionieren, testeten die Forschenden sie an einer Schwimmerin. Aufgrund des Wasserwiderstands und der kräftigen Bewegungen gilt Schwimmen als besonders schwierige Disziplin für die Leistungsüberwachung mittels Elektroden. Die Resultate überzeugten: Die Qualität der Signale, die die neuen Elektroden aufzeichneten, war deutlich besser als diejenige der Gel-Elektroden, die die Schwimmerin ebenfalls trug. Inzwischen hat bereits die Seerettung Zürich Interesse an den neuen Elektroden gezeigt und setzt sie im Rahmen einer laufenden Studie ein.