Sicherheitsanlagen: Umsetzung der Europäischen Norm in der Schweiz

Die Europäische Norm SN EN 16763 beschreibt Mindestanforderungen an Planung, Bau und Instandhaltung von Sicherheitsanlagen. Sie enthält die klare Aussage, dass nationale Gesetze, Verordnungen und Richtlinien gelten.

Norm SN EN 16763

Was ist der Sinn und Zweck der Europäischen Norm SN EN 16763? Sie soll ein gemeinsames Verständnis für ein Mindestdienstleistungsniveau schaffen, indem sie Kriterien für das Leistungsniveau von Dienstleistern, für die involvierten Beschäftigten und für das zu liefernde Dienstleistungsergebnis aufstellt.

Diese Europäische Norm ist zusammen mit den Anwendungsregeln für das Fachgebiet anzuwenden: entweder mit europäischen (falls vorhanden) oder mit nationalen Gesetzen und Regelungen. Die Norm kann als Grundlage für ein Zertifizierungsverfahren auf dem jeweiligen Dienstleistungsgebiet dienen. Es ist aber nicht vorgesehen, dass sie alleinstehend in einem Zertifizierungsverfahren angewendet wird.

Submissionen und Dienstleistungsverträge enthalten üblicherweise umfangreiche Beschreibungen, wie und in welcher Qualität Leistungen zu erbringen sind. Mit der EN 16763 werden die Prozessschritte von der Planung bis zum Unterhalt und die zugehörigen Begriffe definiert.

Ganz wichtig ist dabei die Berücksichtigung der unterschiedlichen Anwendungsrichtlinien in den Fachgebieten, welche basierend auf technischen Normen den Stand der Technik beschreiben.

Wie entstand die Norm?

Basis für eine europaweit geltende Rahmenbedingung im Dienstleistungsbereich ist die EU Richtlinie 2006/123/EG «Dienstleistungen im Binnenmarkt», die im Jahr 2006 in Kraft gesetzt wurde. Ihr Ziel ist der Abbau von Barrieren bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen. Weil die europäische Sicherheitsbranche höhere Anforderungen an die Qualität der Dienstleistungen stellt, wurde das Bedürfnis einer eigenständigen Servicenorm von der Service Section der Organisation ­Euralarm analysiert und erste Vorschläge wurden erarbeitet. 2011 wurden die Arbeiten durch ein neu geschaffenes Projektkomitee CEN / CENELEC / TC 0044 aufgenommen. Die Schweiz war an der Aus­arbeitung durch die Schweizerische Normenvereinigung (SNV) und den schweizerischen Delegierten der Eur­alarm massgeblich daran beteiligt.

Spezielle Begriffe für die Schweiz

Die Norm wurde in englischer Sprache entwickelt und anschliessend in Deutsch und Französisch übersetzt. In diesen Übersetzungen werden Begriffe verwendet, die in der Schweiz sprachlich anders interpretiert werden als in Deutschland oder in Frankreich. Es war nicht möglich, die übersetzten Begriffe anzupassen, weshalb im Anhang zur Norm diese Begriffe aus schweizerischer Sicht erläutert werden.

Die europäische Dienstleistungsnorm für Brandsicherheitsanlagen und Sicherheitsanlagen wurde als SN EN 16763 im April 2017 mit einem nationalen Vorwort und Anhang in der Schweiz in Kraft gesetzt.

Im Anhang werden die unterschied­lichen Begriffe zugeordnet, die in dieser Norm und in den nationalen Anwendungsregeln vorkommen. Die vom Verband SES erstellten Richtlinien gelten als nationale Anwendungsregeln.

Aufbau der Norm

Die Norm gliedert sich wie folgt:

  1. Einleitung
  2. Einordnung im Zusammenhang mit anderen Normen
  3. Anwendungsbereich
  4. Begriffe
  5. Anforderungen
  6. Anhang A: Leitfaden für die Dokumentation der Bearbeitungsphasen
  7. Anhang NA: Nationaler Anhang (Ausdrücke, Anwendungsrichtlinien)

Begriffe wurden definiert für: Be­vollmächtigter des Dienstleisters, Beschäftigte, Anlage, Unterauftragnehmer, Bearbeitungsphase, Fachgebiet, Dienstleistungsgebiet, Dienst­leister, Planung, Projektierung, Montage, Inbetriebnahme, Überprüfung, Abnahme, Instandhaltung, Auftraggeber sowie anerkannte Regel der Technik.

Anforderungen an die Qualität

Die Anforderungen betreffend Qualität beschreiben die Kompetenz, das Wissen und die Erfahrungen der Mitarbeiter, welche für die Dienstleistungen eingesetzt werden. Die Norm legt dabei Anforderung fest:

Funktion A: Beschäftigte, die das Dienstleistungsunternehmen vertreten, die entscheidungsbefugt bezüglich der technischen Ausführung sind und die Verantwortung für die Einhaltung der einschlägigen Normen und Regelungen in Verbindung mit der Auftragsausführung tragen.

Funktion B: Beschäftigte, die im Rahmen der Vorgaben in dem Dienstleistungsgebiet selbstständig arbeiten und die Standardarbeiten von anderen überwachen, in einem gewissen Umfang die Verantwortung für die Bewertung und Verbesserung von Arbeiten übernehmen, die geltenden technischen Grundsätze und Abläufe beherrschen und nach den Anforderungen der einschlägigen Normen und Regelungen mit den Risiken in dem Dienstleistungsgebiet umgehen können.

Funktion C: Beschäftigte, die die ­ihnen zugewiesenen Aufgaben in dem Dienstleistungsgebiet zuverlässig ausführen, die Verantwortung für die vollständige Aufgabenausführung übernehmen und das eigene Verhalten bei der Lösung von Problemen den Umständen anpassen.

Zudem verlangt die Norm Anforderungen an das Dienstleistungsergebnis. Der Dienstleister muss Prozesse nachweisen, wie er Arbeitsergebnisse einer Bearbeitungsphase (vgl. Abb. 2 unten) definiert und dokumentiert. Die Dokumentation muss:

  1. in der Form strukturiert und zweckdienlich sein,
  2. für die vorgesehene Nutzung der installierten Anlage geeignet sein,
  3. vollständig und umfassend sein, um die anderen Bearbeitungsphasen zu unterstützen,
  4. nach den einschlägigen Anwendungsregeln ausgeführt sein,
  5. in Übereinstimmung mit örtlichen Anforderungen stehen.

Es ist auch eine klare Aussage, dass ein Dienstleistungsunternehmen die Dokumentation in der Sprache liefert, welche am Ort der Sicherheitsanlage üblicherweise gesprochen oder vom Kunden verlangt wird.

Ebenso muss der Dienstleister die fachtechnische Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter organisieren und deren Kompetenz nachweisen.

Norm SN EN 16763

Fachausbildung: Andere Vorgaben in der Schweiz

Die Norm setzt die Funktionen A, B, C in Kontext zum Europäischen Qualifika­tionsrahmen (EQR).

A → Niveau 5

B → Niveau 4

C → Niveau 3

In der Schweiz wird der EQR nicht angewendet. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hat eine Vergleichstabelle mit den schweizerischen Abschlussarten erstellt, mit dem die schweizerischen Fähigkeitsausweise und Diplome eingeordnet werden (vgl. Abb. 3 unten).

Damit wird ersichtlich, dass für Niveau 3 und 4 (Mitarbeiterfunktion C und B) ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis vorausgesetzt wird. Für die Funktion A, entsprechend Niveau 5, wird ein Abschluss mit eidgenössischem Fachausweis vorausgesetzt.

Damit sind Mitarbeiter mit folgendem Diplom heute bestens qualifiziert:

  1. Projektleiter/-in Sicherheitssysteme mit eidg. Fachausweis
  2. Brandschutzfachfrau/-mann mit eidg. Fachausweis
  3. Brandschutzexpertin/-e mit eidgenössischem Diplom

Für die Funktionen C und B sind sowohl die vom SES (Verband Schweizerischer Errichter von Sicherheitsanlagen) als auch die von der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) ausgestellten Qualitätszertifikate gültig.

Norm SN EN 16763

Gesetzliche, nationale Vorgaben und die Norm

Die Norm enthält eine klare Aussage, dass nationale Gesetze, Verordnungen und Richtlinien gelten. Als Beispiel dient hier die Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen (NIV). Eine Firma, deren Mitarbeiter in der Schweiz Alarmanlagen am 230-V-Netz anschlies­sen (nicht steckbare Verbindung), muss entweder eine allgemeine Installationsbewilligung nach Art 9 oder eine Anschlussbewilligung nach Art. 14 respek­tive 15 haben. Die Firma als Be­willi­gungsinhaber ist verantwortlich, dass die betroffenen Mitarbeiter gemäss dem vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat vorgegebenen Verfahren als Bewilligungsträger gemeldet sind.

Die NIV betrifft die Montage und die Instandhaltung. Für die Montage mag es angehen, dass man die fest verdrahteten Elektroanschlüsse durch eine Fremdfirma ausführen und ausmessen lässt. Für die Instandhaltung wird es problematisch, wenn der Mitarbeiter im Rahmen einer Störungsbehebung kein Bewilligungs­träger ist und ein Teil auswechselt, das der NIV untersteht. In diesem Fall ist das nur gestattet, wenn er einen anerkannten Kurs für solche Arbeiten an den jeweiligen Anlagen im Umfang von mindestens 40 Lektionen Elektrosicherheit absolviert hat. Diese Regelung gilt nur für Firmen mit Bewilligung und genügend gemeldeten Bewilligungsträgern.

Ausblick

Die SN EN 16763 gestattet auch die Zertifizierung von einzelnen Dienstleistungsphasen (vgl. Abb. 3). Hierfür gibt es in der Praxis zu wenig Möglichkeiten. Die in der Schweiz tätigen Firmen und deren Mitarbeiter sind in der Regel über alle Dienstleistungsstufen zertifiziert. Es ist durchaus sinnvoll, einzelne oder ausgewählte zusammengefasste Bereiche für die Zertifizierung zu definieren. Für Fachleute, die sich ausschliesslich der Planung widmen, ist es wenig sinnvoll, andere Teilprozesse zu zertifizieren.

Im europäischen Vergleich steht die Schweiz gut da. Die wesentlichen Zertifikate entsprechen der Norm und können entsprechend deklariert werden. Der ­Euralarm erarbeitet momentan eine Strategie, wie die Zertifizierung nach EN 16763 vorangetrieben werden kann. Diesbezüglich ist der nächste Schritt die Feststellung und Auflistung von gleichwertigen Qualifikationen der in Europa tätigen Zertifizierungsorganisationen.

* Felix Hahn, ehemals Obmann der SES-Fachkommission „Wartung“ sowie Delegierter des SES in der Service Section des Euralarms.

 

Für welche Anlagen gilt die Norm?

Die Norm DIN EN 16763 «Dienstleistungen für Brandsicherheitsanlagen und Sicherheitsanlagen» gilt für

  1. Brandmeldeanlagen
  2. ortsfeste Brandbekämpfungsanlagen
  3. Rauch- und Wärmeabzugsanlagen
  4. Einbruch- und Überfallmeldeanlagen
  5. Zutrittskontrollanlagen
  6. Videoüberwachungsanlagen

Personen-Hilferufanlagen, Alarm­empfangszentralen und Sicherheitsdienstleistungen unterstehen jedoch nicht (!) dieser Norm.

 

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