Der richtige Umgang mit Chemikalien

Betriebe, die mit Gefahrstoffen umgehen, müssen sicherstellen, dass Mit­arbeitende, Besucher, Anwohner und Umwelt vor einer Schädigung durch diese gefährlichen Stoffe geschützt werden. Eine zentrale Rolle beim Schutz der Mitarbeitenden kommt dabei dem SiBe zu.

Der SiBe ist nur in seltenen Fällen selbst Chemiker oder Toxikologe und dennoch muss er sich mit chemischen Gefährdungen im Betrieb befassen. Folgende Tipps sollen dem Sicherheitsbeauftragten helfen, Gefährdungen im Zusammenhang mit Gefahrstoffen zu erkennen, sinnvolle Schutzmassnahmen aufzugleisen und die Grundlage für weitere Spezialisten zu schaffen.

Gefahrstoffinventar überblicken: Was wird wo verwendet?

Grundlage für die Ermittlung chemischer Gefährdungen im Betrieb ist eine vollständige Übersicht über die eingesetzten ­Gefahrstoffe, deren Eigenschaften und Einsatzorte. Die Ablage sämtlicher Sicherheitsdatenblätter gewährleistet, dass die wichtigsten Informationen zu den Stoffen und zum sicheren Umgang vor­liegen. Die Kenntnis des vorhandenen ­Gefahrstoffinventars ist zudem Ansatzpunkt, um die Substitution besonders gefährlicher Stoffe durch weniger gefähr­liche zu forcieren und um nicht mehr benötigte Produkte im Betrieb zu identifizieren und aufzulösen.

Für den SiBe heisst das: Eine gut geführte, laufend aktuell gehaltene Gefahrstoffliste sowie die Ablage sämtlicher Sicherheitsdatenblätter muss eingefordert werden. Neben den Anwendern und dem Einkauf können dabei insbesondere zwei weitere Spezialisten im Betrieb unterstützend wirken.

Unterstützung nutzen

Unternehmen, in welchen gefährliche Stoffe eingesetzt werden, müssen eine Chemikalien-Ansprechperson ernennen, welche einen Überblick über den Umgang mit Gefahrstoffen im Betrieb hat und die daraus abgeleiteten chemikalienrecht­lichen Pflichten kennt. Die Chemikalien-Ansprechperson ist damit ein wichtiger Partner des SiBe beim Erfassen, Verwalten und Beurteilen des Gefahrstoffinventars. Ebenso kann der Gefahrgutbeauftragte (GGB), falls im Betrieb vorhanden, den SiBe unterstützen. Der GGB verfügt über einen Überblick über die betriebsrelevanten Gefahrgüter sowie Kenntnisse zum Klassierungssystem nach ADR, welches in vielen Punkten dem Chemikalienrecht sehr ähnlich ist, und zum sicheren Verpacken und Transportieren von gefährlichen Gütern auf öffentlichen Verkehrswegen. Dieses Wissen kann als ­Input bei Fragen zum sicheren innerbetrieblichen Transport, zur Lagerung und zum Verhalten in Notfällen genutzt werden.

Gefahrstoffe
Der Gefahrgutbeauftragte verfügt idealerweise über einen Überblick über die betriebs- relevanten Gefahrgüter und kann den SiBe unterstützen. Bild: depositphotos

Arbeitsabläufe analysieren

Wenn das Gefahrstoffinventar im Betrieb erfasst und einzelnen Lager- und Arbeitsplätzen zugeordnet ist, kann der SiBe gezielt Arbeitsplätze untersuchen, an denen offen mit Gefahrstoffen umgegangen wird. Aus dem offenen Umgang ergibt sich eine erhöhte Gefahr der Exposition von Mitarbeitern, daher sind aus Sicht der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes diese Arbeitsplätze priorisiert zu beurteilen, im Gegensatz zu Lagerbereichen, wo wohl grössere Gefahrstoffmengen liegen, jedoch nur in geschlossenen Gebinden. Kritisch zu analysieren sind insbesondere Umfüll- und Verdünnungsprozesse: Durch den Einkauf von Gefahrstoffen in passenden Behältergrös­sen und Konzentrationen können diese Arbeitsschritte oftmals vermieden werden. Entsprechend reduziert sich das Risiko für die Mitarbeitenden. Neben den Tätigkeiten selbst ist auch die Anzahl exponierter Personen zu erfassen und kritisch zu hinterfragen: Alleinarbeit mit gefährlichen Stoffen ist klar zu vermeiden, gleichzeitig sollen so wenige Personen wie möglich gefährlichen Stoffen ausgesetzt werden.

Lüftung beim offenen Umgang

In Gefahrstofflagern und an Gefahrstoff­arbeitsplätzen muss der SiBe insbesondere die Art und Auslegung der Raumlüftung kennen: Leitungsverläufe und Luftwechselraten von künstlichen Raumlüftungen müssen bekannt sein, ebenso die Dimensionierung und Positionierung natürlicher Lüftungsöffnungen, damit in einem zweiten Schritt beurteilt werden kann, ob die vorhandene Lüftung ausreichend dimensioniert ist, um Gefahrstoffemissionen sicher abführen zu können. Auch ohne aufwendige Messkampagnen oder Berechnungen kann festgehalten werden, dass ungelüftete Räume, insbesondere gefangene Räume in Untergeschossen, ungeeignet für Arbeiten mit gesundheitsschädlichen Dämpfen oder Stäuben sind. Aber auch eine falsch ausgelegte künst­liche Entlüftung ist problematisch, zum Beispiel wenn sie Gefahrstoffe nicht direkt ins Freie, sondern in andere Arbeitsbereiche verfrachtet. Intensive Chemikaliengerüche sowie sichtbare und lange verweilende Staub- oder Dampfwolken müssen als Warnzeichen für eine unzureichende oder falsch ausgelegte Lüftung erkannt und behoben werden.

Fokus Ex-Risiken

In diesem Zusammenhang besonders zu erwähnen sind Arbeitsplätze mit Explo­sionsrisiken durch entzündbare Gase, Dämpfe oder Stäube. Auch sie müssen entlüftet werden. Zusätzlich müssen dabei künstliche Entlüftungen, wie die ­übrigen Installationen an den Arbeitsplätzen selbst, den Anforderungen des Explosionsschutzes genügen, wie sie im Suva-Merkblatt 2153 und den Atex-Richtlinien beschrieben sind. Ein falsch gewählter Lüftungsventilator kann im Bereich einer Ex-Zone zur tödlichen Gefahr werden.

Während Staubexplosionsgefahren gesondert zu betrachten sind, kann sich der SiBe zur Identifizierung von Bereichen mit Explosionsrisiken durch entzündbare Flüssigkeiten und Gase auf die bereits erwähnte Gefahrstoffliste abstützen und diese gezielt nach Produkten mit den entsprechenden H-Sätzen durchsuchen: H224, H225 oder H226 für entzündbare Flüssigkeiten und H220 bis H223 für entzündbare Gase und Aerosole. Für die weitere Ausarbeitung eines Explosionsschutzkonzeptes kann dann nach Bedarf ein Fachspezialist beigezogen werden. Dank der vorbereiteten Gefahrstoffliste, der griffbereiten Sicherheitsdatenblätter und einer guten Übersicht der Gebäudelüftung kann dieser schnell und effizient die erforderliche Ex-Zonen-Einteilung vornehmen und angemessene Schutzmassnahmen definieren.

Der richtige Umgang mit Chemikalien
Es gibt kein universelles Rezept einer umfassenden PSA im Gefahrstoffbereich: Verschiedene Gefahrstoffe erfordern beispielsweise unterschiedliche Handschuhe. Bild: depositphotos

PSA an Gefahrstoffe und Arbeitsprozess anpassen

Als letzter Punkt sei der richtige Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) an Gefahrstoffarbeitsplätzen erwähnt. Die Auswahl der richtigen PSA ist gerade im Bereich chemischer Gefahren schwierig: Stoffeigenschaften, eingesetzte Mengen sowie Arbeitsprozesse müssen dabei berücksichtigt werden. Paradebeispiel sind Chemieschutzhandschuhe: Es gibt kein universelles Handschuhmaterial, welches wirkungsvoll vor allen Gefahrstoffen schützt; verschiedene Gefahrstoffe erfordern verschiedene Handschuh­typen, und es ist nicht ohne Weiteres erkennbar, ob ein Handschuh gegen einen bestimmten Stoff schützt oder nicht. Werden am selben Arbeitsplatz verschiedene Chemikalien verwendet, die unterschiedliche Handschuhmaterialien er­fordern, so ergibt sich die Gefahr von Fehlanwendungen durch die Mitarbeitenden. Für den SiBe empfiehlt es sich, nach solchen Problemstellen Ausschau zu halten. Einmal identifiziert, bieten sich verschiedene Lösungen an, beispielsweise die räumliche Trennung von Prozessen, die unterschiedliche PSA erfordern, oder eine Substitution von Gefahrstoffen. Sollte beides nicht möglich sein, müssen organisatorische Massnahmen wie bebilderte Arbeitsanweisungen erwogen werden. Im Nachgang sollte der SiBe regelmässig prüfen, ob die vorhandene PSA richtig angewendet wird und an den Arbeitsprozess angepasst ist. Wenn ein Handschuhmodell ausreichend guten Schutz bietet, aber so dick ist, dass den Mitarbeitenden die nötige Fingerfertigkeit für feine Arbeiten fehlt, dann ist es nicht geeignet und Alternativen sind zu evaluieren.

Mit der Umsetzung der beschriebenen Tipps ist das Thema Gefahrstoffe noch nicht erschlagen. Das Risiko, das von Gefahrstoffen im Betrieb ausgeht, wird ­damit jedoch ein gutes Stück weit reduziert, und es werden wichtige Grund­lageninformationen für den Beizug von Fachspezialisten geschaffen, z.B. für ­arbeitshygienische Abklärungen, Explo­sionsschutz oder Störfallvorsorge.

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