Die Rechte und Pflichten eines Sicherheitsbeauftragten
Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Medien nicht von einem Firmenskandal, von Strafprozessen gegen Manager und Geschäftsführer grosser, aber auch von kleinen und mittleren Unternehmen die Rede ist. «Rechtliche Fallen lauern an jeder Ecke», doch viele Führungskräfte sind sich ihrer persönlichen Haftung nicht bewusst.
Ein «Risikokatalog» sollte stichpunktartig diejenigen Schwerpunkte wiedergeben, die häufig Anlass zu schadens- und haftungsrelevanten und somit auch durchaus unternehmensgefährdenden Sachverhalten führen können. Sind die entsprechenden Schwachstellen einmal benannt, müssen sie in der Geschäftsleitung thematisiert werden, damit entsprechende Risikoszenarien erarbeitet und Präventions- respektive Abwehrmassnahmen eingeleitet werden können.
Für diese Aufgaben braucht es jedoch Personen, die nicht nur über fachliche, menschliche, kommunikative und integrative Fähigkeiten verfügen, sondern die auch problemlösungsorientiert Missstände benennen und Krisen meistern können. Sicherheitsbeauftragte haben die häufig undankbare Aufgabe, sozusagen den «Schwarzen Peter» an die Wand zu malen, sie müssen Schwachstellen aufdecken und Abhilfe schaffen.
Dabei kommt es häufig zu Konflikten mit Mitarbeitern und Vorgesetzten. Sicherheitsbeauftragte müssen sich meist unliebsamen Aufgaben stellen, in dem sie unmissverständlich den Vorgaben der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Betrieb nachkommen und Widerstände dort brechen müssen, wo gesetzeskonformes Handeln geboten erscheint.
Was muss beachtet werden?
1. Schritt: Unternehmensanalyse und Information:
Soweit das Unternehmen historisch betrachtet keine nennenswerten Schadensfälle aufzuweisen hat, es über eine festgelegte und kommunizierte Aufbau- und Ablauforganisation sowie eindeutige Verhaltensregeln im Krisenfall verfügt, sind lediglich ergänzende Massnahmen im Bereich der stetigen Schulung und Information der Mitarbeiter und Führungskräfte sowie routinemässige Stichproben durch hierfür regulär vorhandene Instanzen wie Finanz- und Produktions-Controlling oder Revision angemessen.
2. Schritt: Delegation der Verantwortung:
Immer wieder kommt es vor, dass sich bei einem Schadensfall keiner verantwortlich fühlt – Schuldzuweisungen und Misstrauen sind die Folge. Befindet sich ein Unternehmen aufgrund seiner Grösse, seiner dezentralen Führung oder aufgrund einer besonderen Situation in einer erhöhten Risikogefährdung, gibt es aber bis anhin keine konkreten Anhaltspunkte für tatsächliche Schadensfälle, sollte dennoch dem möglichen Worst-Case-Szenario mit einer klaren Zuordnung besonderer Verantwortung sowie sachlicher und personeller Ressourcen vorgebeugt werden. Dazu nützliche Management-Instrumentarien, wie beispielsweise Compliance Programme, Compliance Officer, schriftliche Verhaltenskodizes (Code of Conduct), Risikoerkennungssysteme, schriftliche Revisionspläne usw., lassen im Frühstadium bereits bedrohliche Risikolagen erkennen und können erste Signalwirkungen für ein rasches Handeln aufzeigen.
3. Schritt: Überwachung / Durchgreifen:
In den meisten Fällen wird bei Verdachtsmomenten oder sogar bei Schadensereignissen nicht konsequent nach den Ursachen ermittelt und bei nachgewiesenen Verstössen entsprechend durchgegriffen. Befindet sich das Unternehmen in einer Lage stets wiederkehrender Problemsituationen mit hohem Gefahrenpotenzial, konkreter Verdachtsmomente und bereits aufgetretener Rechtsverstösse oder Schäden, sind unverzüglich Massnahmen einzuleiten, die darauf abzielen, die Schäden zu beheben und die entsprechenden Verantwortlichen je nach Pflichtverletzung zur Rechenschaft zu ziehen. Allerdings bedarf es dazu häufig entsprechender innerbetrieblicher «Eingriffsermächtigungen» und eines Kataloges diesbezüglicher Disziplinarmassnahmen, die zuvor im Betrieb verabschiedet und auf allen Unternehmensebenen kommuniziert werden müssen. Handelt es sich darüber hinaus um arbeitsrechtliche oder gar strafrechtlich relevante Vergehen, sind erforderliche arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, die auch, um eindeutige Signale zu setzen, nicht vor einer Strafanzeige halt machen sollten.
Doch was ist zu tun, wenn der Sicherheitsbeauftragte nicht gehört wird, wenn er von der Geschäftsleitung in seinem Handeln nicht unterstützt und alleingelassen wird? Das Blossstellen von Mitarbeitern im Unternehmen, die sich um die Einhaltung von Sicherheitsregeln und Sicherheitsstandards bemühen, sich mit der Gefahrenermittlung und Risikobeurteilung tagtäglich auseinandersetzen, ist verpönt. Sicherheitsbeauftragte haben einen Anspruch auf uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Vorgesetzten und der Geschäftsleitung ihnen gegenüber. Wird ihnen diese Anerkennung nicht zuteil, sind sie verpflichtet und gehalten, Verstösse und Bedenken unmissverständlich schriftlich der Geschäftsleitung mitzuteilen. Damit liegt die zivil- und strafrechtliche Verantwortung nun in einer anderen Leitungsebene, deren Repräsentanten aufgrund ihrer tatsächlichen und rechtlichen Wirkungsmöglichkeit nun zum Handeln «verdammt» sind.
Aber auch die MitarbeiterInnen müssen sich ihrer betrieblichen Verantwortung bewusst sein. Sie sollten wissen, dass auch ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden auf dem Prüfstand stehen, wenn sie sich gegen arbeitssicherheitstechnische Massnahmen hinwegsetzen, sich nicht unterordnen und damit KollegenInnen Gefahren aussetzen. Auch sie haben Mitwirkungspflichten, Risiken zu erkennen, einzudämmen und zu melden; dazu muss das entsprechende Bewusstsein geschult und vorbildhaftes Handeln anerkannt und belohnt werden. All das verlangt insbesondere von der Unternehmensleitung, der Geschäftsführung, aber vor allem auch von den Sicherheitsbeauftragten ein mutiges Vorgehen, ein überzeugendes Auftreten und mitunter unliebsame Massnahmen zum Wohle des Unternehmens und eines gesetzmässigen und verantwortungsbewussten Handelns.
Dieser Fachbericht erschien ursprünglich in der gedruckten Ausgabe SAFETY-PLUS 3-2021.
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