Gegen den Zuckerwahn: Zuckersteuer jetzt!
In kaum einem europäischen Land nehmen die Menschen so viel Zucker über sogenannte "Erfrischungsgetränke" auf wie in Deutschland oder in der Schweiz.
Nach Zahlen des Marktforschungsinstituts Euromonitor International, die die Verbraucherorganisation foodwatch kürzlich veröffentlicht hat, lag der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker über Softdrinks im Jahr 2016 bei durchschnittlich 26 Gramm pro Tag beziehungsweise etwa 9,5 Kilogramm pro Jahr. Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland damit auf Platz elf, hinter Ländern wie Argentinien, Chile, USA und Mexiko. Insgesamt konsumieren Deutsche 36 kg Zucker pro Jahr. 2016 nahmen Schweizer Bürger rechnerisch rund 36,7 Kilogramm raffinierter Zucker je Kopf zu sich. Beunruhigende Werte.
In Europa wird nur in den Niederlanden und in der Slowakei noch mehr Zucker über sogenannte Erfrischungsgetränke verbraucht. Zum Vergleich: Der Zuckerverbrauch über Süssigkeiten lag in Deutschland bei 18 Gramm pro Tag beziehungsweise rund 6,5 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
„Die Zahlen zeigen: Süssgetränke & Co. sind ein wesentlicher Grund für den zu hohen Zuckerkonsum. Und gerade dieser flüssige Zucker macht uns besonders krank. Statt weiter darauf zu hoffen, dass die Industrie freiwillig ein bisschen weniger Zucker in ihre Produkte kippt, muss die deutsche Bundesernährungsministerin Julia Klöckner endlich eine Süssgetränke-Steuer nach dem Vorbild Grossbritanniens einführen. Die Einführung hat dort zu einem wahren Zuckersturz im Getränkeregal geführt“, erklärte Luise Molling von foodwatch. Doch auch Getränke mit Süssstoffen seien keine gesunden Durstlöscher. Eine Süssgetränke-Steuer müsse deshalb sowohl Getränke mit Zucker als auch mit Süssstoffen umfassen, forderte Molling.
WHO: Hauptursachen für die Entstehung von Adipositas
Zuckergesüsste Getränke gelten laut der Weltgesundheitsorganisation als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Adipositas (Fettleibigkeit) und Typ-2-Diabetes. Aktuell sind etwa 6,7 Millionen Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt und etwa jeder vierte Erwachsene gilt als fettleibig. Allein durch Fettleibigkeit entstehen in Deutschland jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten. Die WHO empfiehlt zum Beispiel für eine erwachsene Frau eine maximale Zuckeraufnahme von 50 Gramm pro Tag, im Idealfall sogar bei weniger als 25 Gramm am Tag.
Die deutsche Bundesregierung arbeitet derzeit an einer „nationalen Strategie zur Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten“. Gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel soll die Strategie auf freiwilliger Basis umgesetzt werden. Ein dafür eingerichteter Runder Tisch mit Vertretern aus der Lebensmittelwirtschaft und von Gesundheits- und Verbraucherorganisationen trafen sich zum dritten Mal.
„Der Zuckerwahnsinn kommt die Gesellschaft teuer zu stehen: Nach Zahlen des BAG summieren sich direkte und indirekte Kosten von Übergewicht, Fettleibigkeit und Diabetes in der Schweiz auf rund zehn Milliarden Franken. Pro Jahr!“
Thomas Schlittler, Redaktion Blick
Ankündigungen vieler Hersteller und Händler, den Zuckergehalt in ihren Produkten freiwillig zu senken, zeigen bislang kaum Wirkung. Eine kürzlich veröffentlichte foodwatch-Marktstudie zeigt: Jedes zweite Erfrischungsgetränk (in D) ist aktuell überzuckert. Demnach enthalten 345 von insgesamt 600 untersuchten Getränken (58 Prozent) mehr als 50 Gramm Zucker je Liter. Damit hat sich der Anteil der überzuckerten Getränke auf dem deutschen Markt seit einer ersten Marktstudie von foodwatch im Jahr 2016 praktisch nicht verändert. Damals lag der Anteil der Getränke mit mehr als 50 Gramm Zucker je Liter bei 59 Prozent.
Foodwatch forderte die deutsche Ernährungsministerin Julia Klöckner auf, eine Süssgetränke-Steuer nach britischem Vorbild einzuführen. In Grossbritannien müssen Hersteller seit April 2018 eine Abgabe für Getränke bezahlen, die mehr als 50 Gramm Zucker je Liter enthalten. Bei mehr als 80 Gramm wird eine höhere Abgabe fällig. Ein Grossteil der Anbieter, darunter Lidl, Tesco oder Coca-Cola, haben deshalb den Zuckergehalt ihrer Getränke deutlich reduziert.
Zur Marktstudie Zuckergetränke
Text: foodwatch e.V.
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