Sicherheitstrends 2016: Fünf Herausforderungen
Die Sicherheitslage von Unternehmen muss nicht nur mit technischen Entwicklungen Schritt halten, es gehört zu einer erfolgreichen Unternehmensstrategie, auf neue, technische Anforderungen rechtzeitig die passenden Antworten zu finden. Doch es gilt auch politische, juristische und menschliche Faktoren zu beachten und, soweit möglich, mit einzukalkulieren.
Der Sicherheitsanbieter Totemo gibt einen Überblick über die Top-5 der Bedrohungen im 2016 und erklärt, wie man sie bewältigt.
1. Hintertüren in Verschlüsselungslösungen
Anschläge wie die von Paris schaffen ein Klima, in dem der Ruf nach mehr Überwachung gedeiht. Dabei ist eine konsequente Verschlüsselung von Daten Ärgernis Nummer eins für Schnüffler. Längst kommen Internet und Kommunikationssektor nicht mehr ohne ein Mindestmass an solchen Techniken aus. Egal ob E-Commerce, Online-Banking, Software-Updates oder App-Downloads: Ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist die digitale Welt nicht mehr denkbar. Doch in Zeiten politischer Unsicherheiten und terroristischer Bedrohungen wird immer wieder die Forderung nach Hintertüren laut, mit denen sich Sicherheitsbehörden Zugang zu geschützter Kommunikation verschaffen könnten.
Abgesehen von der Diskussion, wie stark solche Vorkehrungen die Staatsbürgerrechte in einzelnen Ländern aushöhlen, liegt die eigentliche Bedrohung durch Hintertüren aus IT-Sicht darin, dass sie als Sollbruchstelle die gesamte Sicherheitsarchitektur torpedieren. Denn die Schlüssel für die Hintertüren dürfen nie in falsche Hände gelangen – eine in der Praxis kaum zu erfüllende Voraussetzung bei Verfahren, die millionen- oder milliardenfach zur Anwendung kommen. Etliche Zwischenfälle, bei denen die Sicherheit von Regierungsservern kompromittiert war, man erinnere sich an den Bundestagshack, schmälern das Vertrauen in die Fähigkeit der Behörden, solche sensiblen Informationen vor Angreifern dauerhaft zu schützen.
2. Schwachstelle Mitarbeitende
Der Cyber Security Intelligence Index von IBM für das Jahr 2015 zeigt, dass durchschnittlich 55% aller sicherheitsbedenklichen Vorfälle im Jahr zuvor von Insidern ausgingen – teilweise unwissentlich, oft aber auch in böswilliger Absicht. Grundsätzlich fehlt es noch an dem Bewusstsein dafür, dass auch von Zugriffen innerhalb des Unternehmens Risiken ausgehen. Den Abfluss schützenswerter Daten in „dunkle Kanäle“ begünstigen laxe Sicherheitsvorgaben wie schwache Passwörter oder gemeinsam genutzte Accounts.
Entgegenwirken lässt sich unbeabsichtigten Sicherheitsverletzungen mit Massnahmen, die sicherheitskritische Aktionen automatisch erkennen und gegensteuern. Beispielsweise wenn ein User ein Dokument mit Kreditkarteninformationen verschickt, kann automatisch eine Verschlüsselung starten, die den Inhalt schützt. Die Gefahr unbeabsichtigter Richtlinienverstösse verringert sich auch durch ein abgestuftes Berechtigungsmanagement: Jeder Nutzer erhält nur die Berechtigungen, die er gemäss seiner Rolle tatsächlich benötigt. So ist es sinnvoll, zwischen den Standardprofilen „Administrator“ und „einfacher Nutzer“ zusätzliche Rollen mit spezifischen Zugriffsrechten zu definieren.
Solche Massnahmen legen auch Insidern mit unlauteren Absichten bereits Steine in den Weg. Dennoch sind weitere interne Schutzmassnahmen erforderlich, um sich gegen vorsätzliche Angriffe zu wappnen: Dazu gehört es, E-Mails und andere Inhalte auch intern zu verschlüsseln. Als zusätzliche Massnahme kann konsequentes Logging abschreckende Wirkung entfalten, da alle Aktionen unlöschbar und manipulationssicher aufgezeichnet werden – eine Forderung, die bereits im Zusammenhang mit Audit-Trail-Anforderungen oder Compliance-Vorgaben entstehen kann.
3. Wachsende Schatten-IT
Was oft einladend „Bring your own Device“ (ByoD) heisst, untergräbt als Massenbewegung im Sinne von „ByoX“ heutzutage die IT-Sicherheit von Unternehmen. Denn neben eigenen Geräten sind es vor allem Apps oder Programme, die ohne Segen der IT-Abteilungen immer häufiger im Einsatz sind und eine regelrechte Schatten-IT-Infrastruktur erzeugen: Durchschnittlich 51 externe Cloud‐Dienste nutzen Mitarbeiter nach Einschätzung ihrer IT-Abteilungen laut einer Umfrage von Cisco im Sommer 2015 – in Wirklichkeit liegt die Zahl nach Cisco-Angaben aber 15-mal so hoch. Zum Jahreswechsel könnte der reale Einsatz sogar auf das 20-fache des von den Firmen vermuteten Umfangs ansteigen.
Der Wildwuchs muss den IT-Managern besonders zu denken geben, weil er nicht nur Angriffen Tür und Tor öffnet, sondern auch ein schlechtes Licht auf deren hauseigene IT-Infrastruktur wirft. Denn das Argument der Benutzer gipfelt ja meist darin, dass die unerlaubten Lösungen schneller und bequemer zum Ziel führen. Für IT-Abteilungen kann die Lehre daraus nur sein, mehr auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu achten, insbesondere auch bei sicherheitskritischen Anwendungen wie Verschlüsselung. Grundsätzlich sollte die IT-Abteilung sich als „internen Dienstleister“ sehen, der den Mitarbeitern einen IT-Service-Katalog an nutzerfreundlichen Lösungen zur Verfügung stellt, aus dem sie wählen können. Nur so ist gewährleistet, dass Nutzer die freigegebenen Anwendungen wirklich einsetzen und sich nicht selbst nach Alternativen umsehen.
4. Internet of Things – angreifbare Maschinen-Kommunikation
Alle Zeichen deuten auf eine wachsende Vernetzung zwischen Geräten, weil etwa in der Industrie die Automatisierung über Maschinen- und Anlagengrenzen hinweg Flexibilität und Kostenvorteile verspricht. Im Internet of Things (Internet der Dinge) sollten grundsätzlich verschlüsselte Übertragungsprotokolle zum Einsatz kommen, um die Datenübertragung abzusichern. Doch das allein ist noch keine Gewähr für den Schutz der Daten, wenn sich Hersteller zu wenig Gedanken machen und beispielsweise in ihren Geräten identisches Schlüsselmaterial verwenden. Wer eines dieser Devices mit geklonten Schlüsseln besitzt, kann mit dessen privatem Schlüssel auch die Daten anderer vernetzter Geräte des gleichen Herstellers entschlüsseln.
Ein leicht zu vermeidender Fehler, sollte man meinen. Doch das Grundproblem ist, dass die Anbieter vieler vernetzter Geräte heute aus der Elektronikbranche kommen und ihnen sowohl das Bewusstsein als auch das Know-how der Sicherheitsbranche fehlen. Ein Beispiel sind Babyphones und Kameras zum Überwachen der Sprösslinge, oder auch die sprechende und zuhörende – also abhorchende – Barbie, die alle Daten an das Herstellerunternehmen weiter gibt. Wie der Test eines Sicherheitsunternehmens zeigte, lassen sich solche Produkte ausserdem oft sehr leicht hacken. Die Risiken illustrieren auch einige Vorfälle, bei denen Hacker den Eltern einerseits Audios einspielten, andererseits Videoaufnahmen aus dem heimischen Umfeld auf Youtube stellten. Das Problem mit solchen unzureichend gesicherten Geräten dürfte sich noch verschärfen, denn innovative Produktideen treffen derzeit auf vielbeschäftigte Eltern, die sich selbst am Arbeitsplatz vom Wohlergehen ihrer Kinder überzeugen möchten – und dazu vermehrt vernetzte Geräte einsetzen.
5. Cloud (nur) mit Bedacht einsetzen
Das Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat im Oktober 2015 Sicherheitsbedenken gegenüber einer Speicherung von Daten ausserhalb Europas verstärkt. Denn der EuGH hat entschieden, dass das Safe-Harbor-Abkommen lokale europäische Schutzbestimmungen nicht aushebeln darf. In den vergangenen 15 Jahren hatte es genügt, wenn sich US-Unternehmen – ohne weitere Zertifizierung der Einhaltung von EU-Regeln – zu den Safe-Harbor-Regelungen bekannten, um ihnen Daten anzuvertrauen. Als Konsequenz der Snowden-Affäre ist jedoch klar, dass Daten dort nicht sicher sind, denn die US-Regierung ist jederzeit in der Lage, sich Zugriff zu verschaffen.
Dennoch stellt die Cloud weiterhin einen nützlichen Baustein der IT-Infrastruktur dar, solange keine brisanten Daten in ihr gespeichert werden – oder wenigstens nicht unverschlüsselt. Ein zuverlässiger Schutz sollte eigentlich gegeben sein, wenn die Schlüssel nicht der US-Gerichtsbarkeit unterliegen, sondern auf lokalen Servern in Europa verwahrt sind. Ansonsten kann die US-Regierung von US-Dienstleistern ihre Herausgabe verlangen. Die Praxis zeigt jedoch, dass US-Behörden die Herausgabe auch dann von US-amerikanischen Unternehmen verlangen, wenn die Daten auf lokalen Servern in Europa gespeichert sind. Diese wehren sich zwar dagegen, aber der bisherige juristische Verlauf der Auseinandersetzung lässt vermuten, dass die Daten letztendlich herausgegeben werden müssen. Hier wird 2016 daher noch einige Arbeit auf Unternehmen weltweit zukommen.
Fazit: Vertrauen ist nicht delegierbar
Die derzeit akuten Herausforderungen für die IT-Sicherheit von Unternehmen zeigen vor allem eines: Vertrauen ist nicht delegierbar. Auf der sicheren Seite ist nur, wer selbst wirksame Massnahmen ergreift, um seine Sicherheit vor Ort zu gewährleisten.