Ständig auf den Beinen

Stehen ist eine natürliche Körperhaltung. Fast jeder muss bei seiner Arbeit auch mal aufstehen, und manchem tut das sogar gut. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn eine berufliche Tätigkeit dauerhaftes Stehen erfordert.

Stehen

Ob in der der Coiffeurbranche oder bei Montagearbeiten, am Tresen oder am Fliessband, an vielen Arbeitsplätzen kann die sogenannte Steharbeit den Körper massiv belasten. Ist ein Steharbeitsplatz unvermeidlich, gilt es, ihn möglichst ergonomisch zu gestalten.

Stillgestanden oder stehend k.o.?

Von Steharbeit spricht man dann, wenn es sich um eine erzwungenermassen eingenommene Körperhaltung handelt. Der deutsche Länderausschuss für Arbeits­sicherheit (LASI) definiert sie als Arbeit in der Körperhaltung Stehen, die

  • ohne die Möglichkeit, sich wenige
    20 cm zur Seite, nach vorn, nach hinten zu bewegen oder
  • ohne zeitweilige Entlastung durch Gehen oder Sitzen
    zur Zwangshaltung wird. Das entscheidende Kriterium für Gesundheitsfolgen ist die «Dauer ohne Entlastung». Hat man die Möglichkeit, sich am Steharbeitsplatz frei zu bewegen, ist die Belastung deutlich geringer.

Der Mensch ist Jäger und Sammler, d. h. er ist fürs Laufen gemacht. Häufiges und dauerhaftes Stehen erfordert eine erhöhte statische Muskelarbeit, und dies geht nicht spurlos am Körper vorüber. Die Beine ermüden, werden schwer oder fühlen sich geschwollen an. Die Muskulatur wird schlechter durchblutet, und der Druck auf die Gelenke steigt. Füsse, Knie oder Beine können zu schmerzen beginnen. Längerfristig können sich Fehlstellungen wie Spreizfuss oder Senkfuss entwickeln oder verschlimmern. Auch die Neigung zu Krampfadern nimmt zu. Der Kreislauf ist belastet, muss er doch das Blut aus den Füssen wieder nach oben zurück zum Herzen befördern. Nicht zuletzt leiden unter Dauerstehen auch die Bandscheiben. Daher kann eine stehende Tätigkeit sehr anstrengend sein, auch wenn die eigentliche Aufgabe von Händen und Armen nur geringe Körperkräfte erfordert. Stillzustehen ist alles andere als bequem, wie nicht nur Rekruten zu berichten wissen.

Das Kontrollieren und Einstellen einer Maschine kann Dauerstehen erfordern. © AdobeStock

Dynamik ist angesagt

Auf die Frage, ob Sitzen oder Stehen ungesünder ist, kann die Antwort nur lauten: Falsche Frage. Denn weder Sitzen noch Stehen schädigen automatisch die Gesundheit. Belastend für Skelett und Muskulatur wird es jedoch immer dann, wenn das Sitzen oder das Stehen zur dauerhaften und einseitigen Haltungsform wird und der Körper am Arbeitsplatz Tag für Tag viele Stunden in ein- und derselben Position zubringt. Daher ist Abwechslung das einfachste Mittel der Prävention. Wer bei der Arbeit häufig steht, sollte sich in den Pausen hinsetzen, ein wenig herumschlendern oder die Füsse mal hochlegen. Wer dagegen viel am Schreibtisch sitzt, sollte sich in den Pausen bewegen und
z. B. mittags einen kleinen Spaziergang machen. Auch wenn man es sich an vielen Arbeitsplätzen nur eingeschränkt aussuchen kann, sollte man alle Chancen auf variable Körperhaltungen nutzen. Günstig ist laut Suva eine Aufteilung in der Grössenordnung von 60 Prozent sitzenden und 30 Prozent stehenden Tätigkeiten und sich die übrige Zeit gezielt zu bewegen.

Risiken von Stehbelastungen beurteilen?

Entscheidend für das Einschätzen des Gesundheitsrisikos ist zunächst die Dauer der Steharbeit. Der deutsche Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) nimmt folgende Einteilung in vier Risikobereiche mit zunehmender Dringlichkeit der Massnahmen vor:

Ständig auf den Beinen
Bild: zVg

Entlastungsmöglichkeiten nutzen

Wie so häufig im Arbeitsschutz, orientieren sich die präventiven oder schützenden Massnahmen am TOP-Prinzip.

Technische Aspekte: Stehhilfen können bis etwa 60 Prozent des Körpergewichts von Füssen und Beinen ableiten. Manchmal kann das Dauerstehen überflüssig werden, indem hohe Hocker genutzt werden. Die Arbeitshöhen von Tischen, Montageständern oder Arbeitspodesten sollten sich individuell der eigenen Körpergrösse anpassen lassen. Müssen im Stehen Lasten bewegt werden, können Hubwagen und Hubtische das Arbeiten erleichtern.

Organisatorischer Ansatz: Länger andauerndes Stehen ist nach Möglichkeit zu vermeiden, indem beispielsweise Mitarbeiter wechselweise zwischen stehenden und sitzenden Tätigkeiten alternieren. Reine Steharbeit sollte nur dann angeordnet werden, wenn die Aufgabe im Sitzen nicht möglich oder nicht sinnvoll ist.

Personenbezogen: Hochwertiges Schuhwerk mit Fussbett, stabilem Fersenbereich und guter Dämpfung ist bei Steharbeit unbedingt erforderlich. Die Absätze sollten eher flach sein. Nach Rücksprache mit einem Arzt können bzw. sollten ggf. auch Kompressionsstrümpfe getragen werden.

Entlastung durch Arbeitspatzmatten

Eine hochwertige Fussmatte schützt vor Gelenkschmerzen und kalten Füssen und entlastet Bandscheiben, Muskeln und Sehnen. Sie sollte stossdämpfend sein, elastisch bis leicht federnd, gleichzeitig aber stabil und – meist durch Noppen oder Riffelung – rutschhemmend. Auch das Material ist ein Kaufkriterium, denn eine Ergomatte kann vor unangenehmer Fusskälte schützen sowie Lärm und Vibrationen abmildern. Das Material muss gleichzeitig der Arbeitsumgebung angemessen sein, z. B. Resistenz gegen Öle und Fette bieten oder antistatische Eigenschaften aufweisen. Auch für spe­zielle Bedingungen wie Schweissarbeiten oder Reinräume gibt es geeignete Matten. Das Produktangebot ist gross und reicht von Standardgrössen über Rollenware bis zu puzzleartig individuell kombinierbaren Untergründen. Eine Ergomatte für dauerstehende Mitarbeiter ist eine vergleichsweise kostengünstige Anschaffung und beugt deutlich teureren krankheitsbedingten Ausfällen vor.

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